Lübeck

Letztes Jahr hatten wir in Lübeck so bescheidenes Wetter, dass Frida am Ende fast so nass war wie nach ihrem Sprung in die Seseke. Heute war das Wetter weitaus freundlicher.

Der Ausflug begann ein Steinwurf von unserer Ferienwohnung entfernt am Bahnhof Travemünde, Hafen.

Bahnhof Travemünde, Hafen

Ich gebe zu, dass das Foto etwas unfair ist, denn lediglich der gegenüberliegende Bahnsteig nimmt am am Wettbewerb Lost places of Schleswig-Holstein teil, der andere Bahnsteig ist völlig in Ordnung.

Der Bahnhof von Lübeck dagegen hat noch viel von seinem Glanz der Jahrhundertwende. Kathedrale der Technik kam mir in den Sinn.

Bahnhof Lübeck

Das Schöne daran nicht zum ersten Mal an einem Ort zu sein ist, dass man sich mehr auf die Kleinigkeiten konzentrieren kann.

So wollte ein wesentlicher Teil unserer kleinen Reisegruppe den Salzspeichern am Holstentor einen Besuch abstatten, genauer: dem Bekleidungsgeschäft darin. Frida findet solche Orte klasse.

An den Wänden darin gab es etwas Besonderes zu sehen: Pfotenabdrücke in den Ziegeln. Als der Lehm für die Ziegel vor Jahrhunderten unter freiem Himmel trocknet, wetzte ab und zu Hunde und gelegentlich sogar Kinder über die Rohlinge und hinterließen ihre Spuren. Auch diese angemackten Exemplare wurden wie alle anderen gebrannt und verbaut. So sind die Spuren auch nach Jahrhunderten noch zu sehen.

Ganz in der Nähe fiel uns dieses Straßenschild auf:

Pagönnienstraße

Was bitte sind Pagönnien? Die Wikipedia hatte die Antwort. Die Pagönnienstraße ist einfach so oft umbenannt worden, dass niemand mehr weiß, was der Name eigentlich bedeuten soll. Sozusagen das Ergebnis eines Stille-Post-Spiels vom Mittelalter bis heute. Aber dabei weiß doch eigentlich jeder, dass die Pagönnien Frühblüher sind und nach der heiligen Pagönnia benannt wurden ;-)


Steg

Stege verbinden das Land mit dem Meer. Dieser hier hat keine Beplankung. Statt der Menschen besuchen ihn daher nur die Möwen und die Kormorane.

Land, Meer und Gäste aus der Luft.

Noch mehr Travemünde

Es gibt noch einiges mehr über Travemünde zu berichten.

Leuchttürme

In Travemünde steht der älteste Leuchtturm Deutschlands. Er wurde 1539 gebaut und 1827 nach einem Blitzschlag im klassizistischen Stil wieder errichtet.

Alter und neuer Leuchtturm

Seit den Siebziger Jahren verdeckt ihm das Maritim-Hochhaus den freien Blick auf die Ostsee und er wurde außer Dienst gestellt. Dafür übernahm das Hochhaus seine Aufgabe als Leuchtfeuer. Es ist Europas höchster Leuchtturm. Und vermutlich weltweit der Leuchtturm mit den meisten Bewohnern. Wäre die Welt ein Kinderbuch, würden in dem Hochhaus ausschließlich Leuchtturmwärter wohnen.

Ein Bahnhof mit nur einem Ziel

Dem Strandbahnhof von Travemünde ist es auf die Fassade geschrieben, wohin von dort aus der nächste Zug fährt.

Fassade des Strandbahnhofs von Travemünde
Strandbahnhof

So ganz stimmt das nicht; es gibt auch eine direkte Verbindung nach Hamburg.

Künstler

Travemünde war als Seebad schon vor über 100 Jahren sehr beliebt. Daher kam auch der ein oder andere Künstler hier her. Dostojewski, Mann und Munch, aber auch Kafka. Er notierte über seinen Aufenthalt

Fahrt nach Travemünde. Bad — Familienbad. Anblick des Strandes. Nachmittag im Sand. Durch die nackten Füße als unanständig aufgefallen. Neben mir der scheinbare Amerikaner. Statt zu Mittag zu essen, an allen Pensionen und Restaurationen vorübergegangen. In der Allee vor dem Kurhaus gesessen und der Tafelmusik zugehört

Franz Kafka – Tagebücher

Waren die Menschen im Juli 1914 wirklich so prüde, dass die nackten Füße eines Mannes als unanständig galten?

Priwall

Wir sind zum Priwall übergesetzt, die Halbinsel gegenüber von Travemünde. Das geht hier nur mit der Fähre, denn diesen Teil der Trave passieren die wirklich großen Schiffe wie die Fähre nach Helsinki. Und bei so großen Schiffen bräuchte es auch eine richtig große Brücke. Die braucht hier keiner und so bleibt es bei kleinen Fähren und für uns bei einer Mini-Kreuzfahrt.

Auf dem Weg zum Priwall

Der Priwall war um 1200 herum noch eine Insel, die sich durch angeschwemmten Sand erst allmählich mit Mecklenburg-Vorpommern verband. Und vor 100 Jahren betrieb die frisch gegründete Lufthansa hier einen Flugplatz, auf dem auch Wasserflugzeuge und Zeppeline landeten. Luftverkehr, als er noch etwas Besonderes war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlief hier die Grenze zur DDR direkt hinter dem FKK-Strand. Eine Infotafel an der ehemaligen Grenze erzählt Geschichten von Nackten, die nicht genug Deutsch verstanden und so versehentlich die DDR betraten. Dabei lernten sie dann auch die Grenztruppen kennen. Bei diversen Grenzübertritten zu Lebzeiten der DDR durfte ich diese Grenzsoldaten auch kennenlernen. Missmutige, humorlose Menschen, die zu allem Überfluss auch noch bewaffnet waren. Aber ich war bei meinen Grenzübertritten glücklicherweise weder nackt noch versehentlich in ihr Revier geraten.

Heutzutage prägt den Priwall der Tourismus. Es gibt da eine alte, gewachsene Anlage mit kleinen Ferienhäusern, die zum Teil recht luxuriös aussehen. Ist ja auch erste Lage am Ostseestrand. Und dann gibt es da noch die acht Hektar, die von der Waterfront AG bebaut wurden. Modern und etwas steril.

Hafen
Priwall Waterfront (und links die Passat)

Zurück ging es dann mit der Autofähre. Für Frida waren es die ersten Fahrten mit einem Schiff; hat sie ganz lässig bewältigt.

Autofähre
Die Autofähre

Tilt Shift

Mal ein bisschen mit Tilt-Shift rumgespielt. Jetzt sieht Lübeck wie meine alte Modelleisenbahn aus

Vorher – also ohne Unschärfe, Sättigung und Vignettierung – sah es übrigens so aus :


Von Amrum nach Lübeck

Kontraste machen Dinge deutlicher: morgens Amrum und abends Lübeck ist da ganz aufschlussreich. Lübeck hat eine beeindruckende Altstadt, die in weiten Teilen noch dem historischen Original entspricht. Aber offensichtlich auch ein paar typisch städtische soziale Probleme. Aber auch mit jeder Menge schöner Gänge und Höfe. In einem der Ganghäuser wohnten wir sogar, eine Erfahrung der interessanten Sorte.
Im Gegensatz dazu wirkt Amrum etwas wie eine gated Community mit Fernblick (mit der Nordsee als Zaun – aber glücklicherweise hat jeder Zutritt). Seine Reiz hat beides … mir persönlich liegt die Natur auf Amrum mehr.

Oh, und dann war da noch der Ausflug nach Timmendorfer Strand, einer nebensaisonalen Mischung aus Ostsee, Kurheim und Strand mit Minigolfcharme. Nebenbei: Zwei Stunden Strandkorb kosteten 5 Euro Miete plus 3 Euro Strandeintrittsgebühr pro Nase.

Und schon sind wir wieder bei meiner Vorliebe für Amrum ….