Nach einem Jahr und zwei Wochen sind wir wieder in Travemünde. Und es gibt noch einiges zu entdecken. Zum Beispiel das Brodtener Steilufer, das sich über vier Kilometer zwischen Travemünde und Niendorf erstreckt. Dabei ragt es bis zu zwanzig Meter über die Ostsee in die Höhe.
Die Abbruchkante
Das Kliff ist spektakulär, aber nicht sonderlich stabil. Jedes Jahr wandert es im Winter durch Sturmfluten und Regenfälle etwa einen Meter landeinwärts. Der Küstenweg muss daher alle paar Jahre verlegt werden und für das Jugendhaus Seeblick wird dieses Jahr wohl seine letzte Saison sein, denn die Abbruchkante ist nur noch fünf Meter entfernt; 1878 waren das noch 200 Meter.
Drohnenperspektive
Die Uferschwalben freut es, denn sie graben sich gerne jedes Jahr neue Höhlen in den Hang und finden es prima im Frühjahr alles frisch geputzt vorzufinden.
Frida fand es auch ganz prima und da sie in keinster Weise unter Höhenangst leidet, krabbelte sie ganz nah an die Kante um herunterzuschauen. Zu unserer Beruhigung war sie allerdings angeleint. Denn sie ist ja ein Spitz und kein Flughund.
Es gibt noch einiges mehr über Travemünde zu berichten.
Leuchttürme
In Travemünde steht der älteste Leuchtturm Deutschlands. Er wurde 1539 gebaut und 1827 nach einem Blitzschlag im klassizistischen Stil wieder errichtet.
Alter und neuer Leuchtturm
Seit den Siebziger Jahren verdeckt ihm das Maritim-Hochhaus den freien Blick auf die Ostsee und er wurde außer Dienst gestellt. Dafür übernahm das Hochhaus seine Aufgabe als Leuchtfeuer. Es ist Europas höchster Leuchtturm. Und vermutlich weltweit der Leuchtturm mit den meisten Bewohnern. Wäre die Welt ein Kinderbuch, würden in dem Hochhaus ausschließlich Leuchtturmwärter wohnen.
Ein Bahnhof mit nur einem Ziel
Dem Strandbahnhof von Travemünde ist es auf die Fassade geschrieben, wohin von dort aus der nächste Zug fährt.
Strandbahnhof
So ganz stimmt das nicht; es gibt auch eine direkte Verbindung nach Hamburg.
Künstler
Travemünde war als Seebad schon vor über 100 Jahren sehr beliebt. Daher kam auch der ein oder andere Künstler hier her. Dostojewski, Mann und Munch, aber auch Kafka. Er notierte über seinen Aufenthalt
Fahrt nach Travemünde. Bad — Familienbad. Anblick des Strandes. Nachmittag im Sand. Durch die nackten Füße als unanständig aufgefallen. Neben mir der scheinbare Amerikaner. Statt zu Mittag zu essen, an allen Pensionen und Restaurationen vorübergegangen. In der Allee vor dem Kurhaus gesessen und der Tafelmusik zugehört
Franz Kafka – Tagebücher
Waren die Menschen im Juli 1914 wirklich so prüde, dass die nackten Füße eines Mannes als unanständig galten?
Wir sind zum Priwall übergesetzt, die Halbinsel gegenüber von Travemünde. Das geht hier nur mit der Fähre, denn diesen Teil der Trave passieren die wirklich großen Schiffe wie die Fähre nach Helsinki. Und bei so großen Schiffen bräuchte es auch eine richtig große Brücke. Die braucht hier keiner und so bleibt es bei kleinen Fähren und für uns bei einer Mini-Kreuzfahrt.
Auf dem Weg zum Priwall
Der Priwall war um 1200 herum noch eine Insel, die sich durch angeschwemmten Sand erst allmählich mit Mecklenburg-Vorpommern verband. Und vor 100 Jahren betrieb die frisch gegründete Lufthansa hier einen Flugplatz, auf dem auch Wasserflugzeuge und Zeppeline landeten. Luftverkehr, als er noch etwas Besonderes war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verlief hier die Grenze zur DDR direkt hinter dem FKK-Strand. Eine Infotafel an der ehemaligen Grenze erzählt Geschichten von Nackten, die nicht genug Deutsch verstanden und so versehentlich die DDR betraten. Dabei lernten sie dann auch die Grenztruppen kennen. Bei diversen Grenzübertritten zu Lebzeiten der DDR durfte ich diese Grenzsoldaten auch kennenlernen. Missmutige, humorlose Menschen, die zu allem Überfluss auch noch bewaffnet waren. Aber ich war bei meinen Grenzübertritten glücklicherweise weder nackt noch versehentlich in ihr Revier geraten.
Priwall WestPriwall Ost
Heutzutage prägt den Priwall der Tourismus. Es gibt da eine alte, gewachsene Anlage mit kleinen Ferienhäusern, die zum Teil recht luxuriös aussehen. Ist ja auch erste Lage am Ostseestrand. Und dann gibt es da noch die acht Hektar, die von der Waterfront AG bebaut wurden. Modern und etwas steril.
Priwall Waterfront (und links die Passat)
Zurück ging es dann mit der Autofähre. Für Frida waren es die ersten Fahrten mit einem Schiff; hat sie ganz lässig bewältigt.
Diese Reise nach Travemünde ist ja auch ein Experiment: funktioniert es für mich an einem schönen Ort zu arbeiten, statt Urlaub zu machen? Passenderweise nennt sich das Haus, in dem wir unsere Ferienwohnung haben, Villa Daheim. Also bestens geeignet für Homeoffice.
Zwei Tage habe ich das jetzt ausprobiert, Freitag folgt der letzte Tag Arbeit, Mittwoch und Donnerstag habe ich frei. Das ist auch gut so, denn bei Sonnenschein den Tag drinnen zu verbringen, fühlt sich blöd an. Auch schon in meiner gewohnten Umgebung und erst recht hier, wo das Meer nur ein paar Meter entfernt ist.
Andererseits kann ich morgens und zum Feierabend schnell mal zum Strand gehen, mal nur mit Frida, mal wir alle zusammen. Und dann merke ich, was für ein Privileg das ist.
MorgensAbends
So sah das heute aus.
Aber wenn ich ganz ehrlich bin: ohne die Notwendigkeit der Arbeit wäre es dann doch schöner.
Ich versuche mal eine Woche woanders zu sein und darin drei Tage Home-Office unterzubringen. Wir haben uns für das Experiment die Ostsee – genauer gesagt Travemünde – ausgesucht, da waren wir bisher nur mal für eine sehr kurze Stippvisite.
Travemünde am Abend
Da es der erste Sonnentag nach einer gefühlten Ewigkeit in Nassgrau war, begann das Experiment vielversprechend.
Und Frida ist völlig begeistert von Strand und Hunden. Jetzt liegt sie unter dem Küchentisch und schläft tief und fest. Nur ihre Pfoten zucken ab und zu.