Das Echo-Prinzip

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
Wie du mir, so ich dir.

Jeder hat diese Sprüche schon gehört. Sie sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille. So wie ich andere Menschen behandeln, so behandeln sie meist auch mich. Und umgekehrt tue ich – ohne viel nachzudenken – oft das Gleiche.

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, daß sie Brötchen holen. Im ersten Fall begrüsst Sie der Mensch hinter der Theke mit einem freundlichen Lächeln, bedient Sie und wünscht Ihnen noch einen schönen Tag. Im zweiten Fall knallt er Ihnen mit griesgrämigen Gesicht die Brötchen hin, fertig.
Im ersten Fall werden sich vermutlich freundlich und mit einem Lächeln verabschieden, während sie im zweiten Fall grußlos und stirnrunzelnd gehen werden. Natürlich müssen sie nicht so reagieren, aber häufig wird es so oder so ähnlich ablaufen.

Der eigentliche Witz an der Situation ist gar nicht ihre Reaktion, sondern welche Wirkung ihr Verhalten wiederum auf den Verkäufer hat. Man kann es sich ohne viel Phantasie vorstellen: im ersten Fall wird seine Freundlichkeit erwiedert, im zweiten Fall wird er angemuffelt. Seine eigene Stimmung ist wie bei einem Echo zu ihm zurückgekehrt. Und verstärkt sie noch.

Genau das lässt sich ohne grossen Aufwand für das eigene Wohlbefinden ausnutzen: Lächeln sie die Menschen, mit denen sie zu tun haben an. Seien sie freundlich. Vermeiden sie es, schlechte Laune an denen auszulassen, die nichts damit zu tun haben. Das klingt erst einmal wie verstaubte Ermahnungen aus einem alten Benimm-Ratgeber. Aber so ist es nicht, denn es geht nicht darum, daß sie sich lediglich gesellschaftskonform verhalten. Ziel ist vielmehr, auf intelligente Weise ein übliches menschliches Verhaltensmuster für ihr eigenes Wohlbefinden zu benutzen. Netter Nebeneffekt: Ihr Gegenüber wird sich auch besser fühlen.

Überlegen sie sich einfach, wie sie behandelt werden wollen und behandeln sie ihre Mitmenschen entsprechend. Wer daraus ein moralisches Prinzip machen will, kann bei Immanuel Kant nachlesen, wie das geht. Er nannte es den kategorischen Imperativ.

Der Schriftsteller Alain empfahl aus dem gleichen Grund in Die Pflicht, glücklich zu sein, die anderen Menschen mit Wohlwollen zu behandeln. Man solle sich einfach prinzipiell vorstellen, daß sie einen schlechten Tag haben und ihnen dementsprechend mit freundlicher Geduld begegnen. Er war der Meinung, daß es schwierig ist, die eigene Stimmung zu beeinflussen. Daher schlug auch er die indirekte Methode vor. Indem sich der Andere von meiner Freundlichkeit aufgemuntert wird, werde ich danach von ihm aufgemuntert.

Voila, der Echo-Effekt.

Und falls mal niemand da ist und sie eine Aufmunterung brauchen, dann lächeln sie sich im Spiegel an.