Baummuseum

Meine Schwester hatte die tolle Idee, dass wir das Enea-Baummuseum in Rapperswil-Jona besuchen sollten. Sie kannte es selbst noch nicht und sogar Frida durfte mit, was auch in Gärten und Parks leider nicht selbstverständlich ist. 

Das Baummuseum ist die Schöpfung von Enzo Enea, einem sehr erfolgreichen Landschaftsarchitekten. Es ist gleichzeitig Showroom für sein Konzept, das Innen von Häusern mit dem Außen von Gärten zu verknüpfen und die Präsentation von geretteten Bäumen und Kunst. 

Die Bäume stehen natürlich im Mittelpunkt der Anlage. Sie werden wie Kunstobjekte inszeniert. Mauerfragmente unterstreichen ihren Status als etwas Besonderes und durch die Gestaltung des Gartens entsteht zusammen mit den Skulpturen ein besonderer Ort. Kein normaler Park oder botanischer Garten, eher ein fein arrangierter Rückzugsort. Und das am Rand eines Gewerbegebiets, der Kontrast könnte nicht größer sein. Das merkt man schon, wenn man auf dem Weg zum Parkplatz durch die Allee aus Sumpfzypressen fährt. 

Zufahrt durch Sumpfzypressen und Farn

Neben dem Park werden im Arboretum erwachsene Bäume aufbewahrt, viele davon vor dem Fällen gerettet. Das ist eine Sache, die Enzo Enea mit Fürst Pückler verbindet: nicht nur die Liebe zu Parks, sondern auch viel Fachwissen über das Umpflanzen alter Bäume. Zwei riesige Gummistiefel dienen als Markierung für diesen Bereich der Anlage.

Ein Kunstwerk hatte es mir auf dem Weg durch den Park besonders angetan: Relay von Kerim Seiler, auf dessen Stirnseite der Leitsatz der situationstischen Internationalen prangt: Ne travaillez jamais

Relay

Die ganze Anlage hat ähnlich wie das Vitra-Design-Museum auch einen kommerziellen Hintergrund. Daher gibt es neben dem Park eine Aufstellung von (exquisiten) Gartenmöbeln. Wir saßen bequem auf der riesigen Holzterasse am Fischteich Probe, ließen uns von leiser Klaviermusik umwehen, nur unterbrochen durch gelegentliches Quaken von Fröschen.

Frida guckt sich den Fischteich an

Könnte ich mich dran gewöhnen.


Thonon-les-Bains

Wir sind wieder unterwegs. Es geht nach Hause, aber nicht sofort. Heute erst einmal  Zwischenstation am Genfer See in Thonon-les-Bains. Vor ein paar Tagen kauften wir im Supermarkt eine Flasche Wasser und entdeckten später, dass es Thonon hieß. Was eigentlich nicht überraschend ist, denn es gibt hier heilende Quellen (daher les-Bains) und Evian ist nur ein paar Kilometer entfernt. 

Der Ort liegt zwar fast am Ufer des Genfer Sees, aber 50 Meter höher. Es ist bequem hinunterzugehen, um sich von der Promenade aus Hafen und See anzusehen. Aber die Strecke wieder hoch zu kraxeln ist dann nicht mehr so bequem. Daher wurde 1888 eine Funiculaire (Seilbahn) gebaut, die  Einzige auf der Welt, bei der sich die Wagons in einer Kurve kreuzen und die zusätzlich den Vorteil hat, dass sie immer noch in Betrieb ist. 

Mussten wir unbedingt ausprobieren. Und für Frida war es die erste Seilbahnfahrt. 

Wohnung mit Aussicht

In Bouzigues bewohnen wir die Unterkunft mit der grandiosesten Aussicht unserer Reise. Von der Dachterrasse aus geht der Blick über den Étang de Thau bis Marseillan und den Mont Saint-Loup. Da ist viel Wasser, noch mehr Himmel und Austernbänke fast bis zum Horizont. 

Die Aussicht ist nicht langweilig, da gibt es die Boote der Austernfischer, eine Gruppe Segelanfänger oder zweimal täglich das Ausflugsboot, das Interessierten den Étang näher bringt. Diverse Windsurfer kreuzen hier, gelegentlich paddelt in der Ferne ein SUP und zwischen den Austernbänken saust jemand auf einem eFoil (ein Elektro-Surfbrett, mit dem man quasi über dem Wasser schwebt). Oder Langstreckenschwimmer kommen vorbei und ziehen eine kleine Boje hinter sich her. Genau wie die Schnorcheltaucher, aber die haben noch eine kleine Fahne auf der Boje. 

Und ab und zu schwimmt jemand einfach.

Als Tonspur gibt es dazu das leise Geplätscher von Wellen und das Klacken von Boulekugeln.

Aber das Eindrücklichste ist die Erfahrung, wie sich ein und dieselbe Aussicht mit Tageszeit und Wetter verändert. 

Bei den Fotos habe ich keinen Filter benutzt. Die Farben sind die, die einfach da waren. 


Candice Renoir und Paul Valéry

Noch kurz vor unserer Reise sahen wir uns neue Folgen der Krimiserie Candice Renoir an, die in Séte spielt. Ein immer wieder auftauchender Schauplatz in der Serie ist das Kommissariat, das natürlich nicht echt ist. Mit etwas Recherche fand ich die genaue Adresse: Quai Vaudan 8. Da war mal eine Verwaltung drin und im Moment – die Serie endete letztes Jahr nach zehn Staffeln – wird es renoviert. Es fühlt sich seltsam surreal an, einen Ort in der Wirklichkeit zu sehen, der eigentlich aus der Fiktion einer Fernsehserie stammt. Das war wie damals beim Antiquariat Solder

Quai Vaudan 8

Wir schlängelten uns von dort zu Fuß – mit dem Auto in Séte unterwegs zu sein ist eine Strafe – zum Cimetière marin. Knapp unterhalb des Leuchtturms in den Hang gebaut, hat er eine grandiose Aussicht auf das Meer.

Cimetière marin

1920 widmete der in Séte geborene und hier begrabene Lyriker und Philosoph Paul Valéry diesem besonderen Ort ein Gedicht. Zwei Zeilen daraus sind in seinen Grabstein eingraviert 

O récompense aprés une penseé
Qu’un long regard sur le calme des dieux

Auf Deutsch ungefähr „Die Belohnung nach einem Gedanken ist ein langer Blick auf die Ruhe der Götter“. Für jemanden, der sich in seiner Philosophie ausführlich mit dem Denken beschäftigt hat, ein perfekter Grabspruch. 

Es hat mich neugierig gemacht, etwas von Paul Valéry zu lesen. Aber auf die noch nicht gesehenen Folgen von Candice Renoir freue ich mich auch. Kultur ist vielfältig.


Étang de Bages

An unserem letzten Tag hier beschlossen wir einen Ausflug zum benachbarten Étang zu machen. Wir schauten uns Bages, das auf einem Hügel über dem Étang trohnt, und danach Peyriac-de-Mer. Die beiden Orte sind klein, pittoresk und wirkten, als ob sie gerade zu hätten.

Étang de Bages

Da in Peyriac-de-Mer lange Zeit hauptsächlich Salz aus dem Étang gewonnen wurde, gibt es dort einen Rundwanderweg zum Thema Salz. Wegen der Schwüle begnügten wir uns mit dem Teil, der auf einem Steg über das Salzwasser führt. Kamikaze-Frida hielt die Algen für festen Boden und hopste vom Steg. Ich war vorbereitet und hatte sie recht kurz an der Leine. So schwebte sie einen Moment lang über der Brühe um dann wieder sicher auf dem Steg zu landen. Wäre sie im Wasser gelandet, hätte sie sich nichts getan. Aber müffelnder nasser Hund im Auto ist auch nicht so doll. Und Frida zu duschen eine nasse Herausforderung.

Zum Schluß fand ich in dem kleinen Salzhäuschen gut verborgen im Halbdunkel eine interessante Informationstafel. Bereits zu Zeiten der Römer wurde hier Salz gewonnen und ein Teil der Arbeiter direkt in Salz bezahlt, dem salarium. Woraus später im Englischen salary wurde.

Reisen bildet.


Gruissan

Gruissan-Village ist der alte Ortskern von Gruissan, der sich malerisch um eine Burgruine gruppiert und geradezu das Ideal eines südfranzösischen Dorfes am Mittelmeer ist. Heute war Markttag – natürlich mit vielen schönen Ständen auf den Plätzen und in den Gassen – und die Sprache, die ich am Meisten gehört habe, war nach Französisch Deutsch (inklusive Schwäbisch). Es ist lustig zu sehen, dass man mit seinen Vorlieben gar nicht so allein ist, wie man manchmal glaubt. An der Atlantikküste haben wir übrigens weit weniger Deutsch gehört. 

Gruissan hat daneben noch den Vorzug, dass es zum Corbières gehört. Es gibt hier also jede Menge Wein. Wir haben es uns diesmal einfach gemacht und nur in der örtlichen Kooperative eingekauft. Es hätte noch viele andere Weingüter gegeben, inklusive dem von Pierre Richard, aber wir können nicht mehr so viel transportieren seitdem Frida ihren Raum auf dem Rücksitz beansprucht. 


Möwenangriff

Als der Stadtplaner R. Coquerel die Strassenführuung für Gruissan-Plage entwarf, tat er etwas Ungewöhnliches. Er richtete die Straßen diagonal zum Strand aus. So hat hier im Prinzip jeder gleich in zwei Richtungen seitlichen Meerblick. Und der vorherrschende Wind aus Nord-Ost findet weniger Angriffsfläche.

Gruissan Plage, © OpenStreetMap Mitwirkende

Das führt – jedenfalls bei mir – zu Irritationen, wenn ich hier herumlaufe. In meinem Kopf ist das Standardschema mit parallelen Straßen zum Meer und solchen, die direkt darauf zulaufen, fest verankert. So bin ich an Kreuzungen immer leicht irritiert, wenn ich in zwei Richtungen das Meer sehe. Eine Irritation, die Spaß macht.

Vorhin wollte ich das Straßenmuster von der Drohne fotografieren lassen.

Gruissan-Plage

Aber noch bevor sie auf der gewünschten Flughöhe ankam, wurde sie von Möwen attackiert. Die waren wirklich schlecht gelaunt.

Schlecht gelaunte Möwe

Ich habe mich zu einem schnellen Landemanöver entschlossen.