Es ist quasi Tradition, dass wir Weihnachten auf die Halde Großes Holz steigen. Das haben wir dieses Jahr nicht gemacht. Wir haben das heimatliche Grau gegen den fantastisch blauen Himmel der Côte d’Azur eingetauscht und wissen, dass wir da vom Glück verwöhnt werden. Aber natürlich musste es irgendwo hochgehen. Wir entschieden uns für Grimaud und sein Chateau.
GrimaudLe Chateau
Wir begegneten netten Menschen, Otto schaute es sich von oben an und wir genossen einen Apéro mit Blick zum Meer über Port Grimaud nach Saint-Tropez. Ich gebe zu, dass mir der Winter 1000 Kilometer südlich vom Ruhrgebiet besser gefällt.
Le château du point de vue d’Otto
Als wir wieder im temporären zu Hause waren, war dann Weihnachten.
Der Mistral hat uns heute durch die Gassen von Saint-Tropez gejagt. Ein etwas seltsamer Ort. Am Hafen ein gigantischer Parkplatz mit Aussicht auf Yachten, dahinter der Ort mit dem Nimbus, dass sich hier die Schönen und die Reichen tummeln.
Das dürfte eher im Sommer sein, denn jetzt waren Parkplatz und Ort angenehm leer. Im August stehen sich hier die Menschen vermutlich gegenseitig auf den Füßen.
Besonders schöne Menschen sind mir jetzt nicht ins Auge gefallen, dafür die eine oder andere vermutlich reiche ältere Dame. Gerne mit Pelzmantel gegen den Mistral geschützt und immer begleitet von einem frei laufenden kleinen Hund.
Der irritierendste Moment für Frida kam, als eine nicht ganz so reich wirkende ältere Frau mit (geschätzt) zehn frei laufenden Yorkshires die Straße entlang kam. Teile des Rudels stürzte sich zudringlich auf Frida. Sie fand es nicht toll. Ich nahm sie für einen Momenthoch. Das Rudel mit der Frau zog weiter.
In den schmalen Gassen parken überraschenderweise sogar Autos. Manche davon sogar echte Hingucker, wie dieser Citroën, der mich an Diva denken ließ.
Und wo wir schon bei Filmen sind, da gibt es natürlich auch noch diesen Gendarmen von St. Tropez.
Gleich gegenüber liegen die Filialen von Bulgari, Dior etc., in denen geschniegelte Herren auf betuchte Kundschaft warten.
Seit gestern Abend bläst der Mistral. Das Meer ist aufgewühlt, ums Appartement jault der Wind und die Fernsicht ist unübertroffen.
Ein guter Zeitpunkt um am Cap-Sicié die Notre-Dame du Mai zu besuchen. Die kleine Kirche thront auf 352 Metern Höhe…
… und erlaubt einen spektakulären Blick auf die Küste:
So als Panoramafoto festgehalten, ist der Blick landeinwärts leider nur ein müder Abklatsch der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist grandios.
Zur Orientierung: links liegt Sanary-sur-Mer, dahinter Bandol und La Ciotat. Alles mit bloßem Auge zu sehen. Nach rechts Toulon und Saint-Mandrier-sur-Mer, dahinter Giens. Und alles umtost vom Mistral.
Auf dem Weg zur Kirche fanden wir diese handschriftliche Notiz:
Es gibt keinen Weg zum Glück.
Das Glück ist der Weg.
Das ist vielleicht nicht die tiefsinnigste Erkenntnis der Philosophie, aber als Fundstück am Wegesrand schon bemerkenswert.
Bei Reisevorbereitungen bin ich eher praktisch unterwegs: wo ist unsere Unterkunft, wo können wir einkaufen und wo mit Frida Gassi gehen. Das sind die Fragen, die mich vor der Reise umtreiben. Erst vor Ort beginnt mein Interesse für den Platz, an dem ich bin. Das ist toll, denn so ist der praktische Krempel schon erledigt und ich kann mich von dem Hier und Jetzt überraschen lassen. Und die Überraschung ist in Sanary-sur-Mer wirklich da.
Zwischen 1933 und 1939 ist Sanary in den Worten von Ludwig Marcuse die Welthauptstadt des künstlerischen und literarischen Exils. Eine Vielzahl deutscher Künstler siedelten sich hier auf der Flucht vor den Nazis an. Die Wikipedia nennt
Bertolt Brecht, Ferdinand Bruckner, Franz Theodor Csokor, Albert Drach, Lion und Marta Feuchtwanger, Bruno Frank, Walter Hasenclever, Franz und Helen Hessel, Alfred Kantorowicz, Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, Arthur Koestler, Annette Kolb, die Brüder Golo und Klaus Mann, ihre Eltern Katja und Thomas Mann und dessen Bruder Heinrich Mann, Ludwig Marcuse, Cilette Ofaire, Erwin Piscator, Anton Räderscheidt, Joseph Roth, Ilse Salberg, Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel, Friedrich Wolf, Arnold Zweig und Stefan Zweig
Beeindruckend.
Marcuse bezeichnet die Zeit als unglücklich-glückliche Jahre. Ohne Möglichkeit der Rückkehr in die Heimat an einem wunderschönen Ort festsitzen. Eine Situation, die gleichzeitig grässlich und beneidenswert ist.
Sanary-sur-Mer
Zurück in der Jetztzeit.
Am Abend verwandelt sich Sanary-sur-Mer in der Weihnachtszeit in ein Lichtermeer. Nicht nur die Gassen, sondern auch die Gebäude, die Bäume und – Besonderheit einer Hafenstadt – die Boote sind mit Lichterketten geschmückt.
Das sieht hübsch aus, ist etwas überbordend und rutscht mit diversen illuminierten Eisbär/Weihnachtsmann/Pinguin-Dioramen ein wenig ins Kitschige.
Heute zog es uns auf die andere Seite von Six-Fours-les-Plages, nach Saint-Mandrier-sur-Mer. Das ist eigentlich gar nicht weit weg, aber wir waren trotzdem eine knappe halbe Stunde unterwegs, bis wir nach einer Vielzahl schmaler Straßen mit einer erstaunlich großen Anzahl von Kreisverkehren, Zebrastreifen und Bremsschwellen unser Ziel erreichten, den Plage des Sablettes.
Strand und Strandpromenade nachsaisonal leer (ich mag mir nicht vorstellen, was hier im August los ist).
Wir entschlossen uns zu einem Kir.
Die Strandgastronomien sind auch Futtergebiet für ungebetene Tauben. Zudringliche Tauben. Frida was not amused.
Der Plage des Sablettes liegt noch im Verbindungsbereich zwischen Festland und der Beinahe-Insel Saint-Mandrier-sur-Mer. Und da wir ja nicht quasi am Eingang stehen bleiben wollten, ging es weiter nach Sainte-Asile. Strand, Pinienwald, Boulespieler und ein Sentier du Littoral.
Zum Schluss dann noch die andere Seite der Halbinsel.
Hinter dem rostenden Kriegsschiff liegt Toulon. Sieht man leider nicht, wie man auch von Saint-Mandrier-sur-Mer gar nicht so viel zu sehen bekommt, denn etwa die Hälfte der Fläche wird vom französischen Militär beansprucht und ist abgesperrt. Die haben sich da schon ein schönes Fleckchen ausgesucht.