Kreidefelsen

Das inoffizielle Motto der Normandie lautet „Il pleut“, es regnet. Es lacht einem von allerlei Postkarten entgegen, auf denen fröhliche Kühe oder in gelben Regenzeug gewandete Menschen im Regen stehen. Das passt seit Tagen immer besser. Heute nieselten wir uns durch Étretat. Die im normannischen Stil erbauten Gebäude (sehenswert) widersetzten sich so erfolgreich gegen das fotografiert werden. Aber die Klippen sind auch bei diesem Wetter fotogen. Allen voran natürlich der Elefantenfelsen, den Monet, Courbet, Matisse und viele andere gemalt haben.

Mit etwas Fantasie lässt sich wirklich ein Elefant mit Rüssel und zwei Ohren erkennen (zu dem rechten Ohr führt ein Weg mit Brücke, die einen schönen Blick in den Abgrund ermöglicht).

Der Kieselstrand in Étretat ist ungemein wertvoll. Jeder einzelne Kiesel dient der Erhaltung der Küste in Étretat. Deswegen stehen dort viele Schilder wie dieses:

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich keinen einzigen der wertvollen galets entwendet habe.

Überraschend fand ich das Süßwasser, das hier zwischen den Kieseln hervorsprudelt und die gleich darauf im Meer verschwindet. Es nimmt sich nicht einmal die Zeit, sich zu einem Bächlein zu sammeln.

Danach statten wir Yport – der kleinen Schwester von Étretat – einen kurzen Besuch ab… das Wetter wurde immer schlechter

Es war an der Zeit, einige Leckereien zu besorgen und sich einzukuscheln.


Fécamp

Wir sind für drei Nächte in Ganzeville untergekommen, einem winzigen Örtchen, quasi am Hinterausgang von Fécamp. Der Regen hat tagsüber aufgehört, der Wind frischte weiter auf und das Wetter blieb hartnäckig grau. Wären wir nicht am Ärmelkanal, würde ich sagen „Nordseewetter“. Wetter, das gut genug war, um sich Fécamp anzuschauen.

Am Kiesstrand brachen sich Wellen, die die Luft mit ihrer salzigen Gischt erfüllten. Mittendrin lud ein deutscher Reisebus an der Skulpturengruppe L’heure du Bain seine Passagiere aus.

Ein paar Meter weiter knallten die Brecher gegen die Hafeneinfahrt, machten vorwitzige Touristen nass und ließen kleine Boote tanzen (an Bord wäre mir in Sekundenbruchteilen schlecht geworden).

In Fécamp dann ein großer Hafen, viel Jugendstil, Historismus und noch viel ältere Gemäuer.

Die größte Überraschung war eine Schnapsfabrik. Ich gebe zu, dass Schnapsfabrik etwas despektierlich angesichts des Palais Bénédictine ist. Hier wird ein Kräuterschnaps mit viel Tradition hergestellt, der Bénédictine. Unser Timing passte nicht so ganz, daher müssen wir ein Tasting auf später verschieben.


Veules-les-Roses

Auf dem Weg zur letzten Station unserer Reise machten wir zwischen zwei Regenfronten Station in Veules-les-Roses. Wir parkten an der Quelle der Veules und wanderten neben ihr entlang bis zur Mündung.

Wenn man der Veules durch den Ort folgt, versteht man schnell, warum Veules-les-Roses zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört.

Frida findet die Veules toll

Wir sind bei der Gelegenheit zum ersten Mal in unserem Leben einen kompletten Fluss entlang gewandert. Von der Quelle bis zur Mündung. 1149 Meter. Die Veules ist damit der kürzeste Fluss Frankreichs.

Und dann ist da plötzlich das Meer. Weit draußen zog eine große Regenfront entlang und über uns leuchtete ganz leicht die Sonne durch dünne Wolkenschichten.

Das ergab ein ganz eigenes Farbenspiel, das links und rechts von den Kreidefelsen eingerahmt wurde.

Ein Ort, an den wir gerne einmal zurückkehren würden.


Am Strand

Wir schauten uns heute Fort Mahon Plage an. Wir hätten ursprünglich beinahe hier eine Unterkunft gebucht, da es hier einen Sandstrand gibt. Da uns aber diese typische Strandbadoptik mit den sattsam bekannten Geschäften und Bespassungen nicht gefiel, landeten wir letztlich in Saint-Valery-sur-Somme.

Aber Vorurteile wollen ja geprüft werden. Für uns persönlich haben sie sich bestätigt. Das hat da alles so seinen Charme, aber für uns ist das nichts.

Auf dem Weg zum Strand dann ein verblüffender Anblick: eine Ziege. Nicht auf einer Wiese, sondern in einer Gastronomie. Angeleint stand sie friedlich neben dem Tisch, an dem ihre Besitzer saßen. So eine Ziege als Haustier ist natürlich ungemein praktisch, denn an vielen Orten sind zwar Hunde verboten (Strände, Supermärkte, Museen), aber Verbote für Ziegen habe ich noch nie gesehen.

Auf dem Strandspaziergang zum nach saisonal  verschlafenen Nachbarort Quend Plage wurde uns eindrücklich gezeigt, wie schnell die Flut einsetzt. Am Ortsrand machte ich um 13:56 dieses Bild:

13:56

Dann befreiten wir auf der Promenade unsere Füße vom Sand…

Promenade

… schauten uns den Ort an und wären um14:22 wieder zurück an derselben Stelle. Da sah sie so aus.

14:22

Die Boje, die da im Wasser schwimmt, ist dieselbe, die um 13:56 noch im Sand lag.

Fazit für uns – außer, dass man bei Gezeiten immer aufpassen sollte – war, dass wir mit Saint-Valery-sur-Somme als Aufenthaltsort genau richtig gelegen haben.


Chemin de Fer de la Baie de Somme

Heute hat Daniela Geburtstag und als besonderes Ereignis des Tages sind wir mit der Museumsbahn – der Chemin de Fer de la Baie de Somme – nach Le Crotoy gefahren.

Das Wetter spielte leider nicht wirklich mit. Den halben Tag hindurch verkündete die Wetter-App „In einer Stunde ist der Nieselregen weg und es scheint die Sonne“. Tat sie erst auf dem Rückweg. Aber dafür haben wir jetzt einen neuen Schirm.

Für die Hinfahrt wählten wir ein Abteil 1. Klasse.

Das Fahrtempo war gemächlich. Irgendetwas zwischen Joggen und Radfahren. Dabei rumpelte und ruckelte der Zug heftig. Frida war nach ein paar Minuten überzeugt, dass Fliegen weniger stressig ist.

Von Le Crotoy gibt es hier keine Bilder, der Nieselregen war schuld und einer musste schließlich den neuen Schirm halten. Aber am Rande aufgeschnappt: Jules Verne lebte hier einige Jahre und entwickelte in Gesprächen mit Seeleuten die Idee für 20000 Meilen unter dem Meer.

Bei besserem Wetter werden wir gerne zurückkommen.

Zurück ging es dann in der zweiten Klasse. Wer sich fragt, was denn der Unterschied zwischen der 1. Klasse auf den ersten Bildern und der 2. Klasse ist, sollte genau hinschauen: in der 1. Klasse gibt es nur drei Sitze pro Reihe und die Rückenlehne ist ergonomisch geformt. Ergonomischer jedenfalls als eine gerade Wand. Ansonsten ist die Holzoptik dieselbe. Vor allem auf der Rückfahrt, als die Sonne herauskam, erinnerte es an eine finnische Sauna.

Da war es gut, dass es plötzlich einen Knall gab und sich ein Fenster spontan öffnete, indem es nach unten sauste. Von einem Mitreisenden vernahmen wir das Wort La Guillotine. Passte.

Jetzt sind wir wieder in unserem temporären Zuhause und es wird passend für einen Geburtstag gegessen und getrunken.


Feuersteinknollen

Wir wollten uns gestern mal anschauen, wo die Somme in den Ärmelkanal mündet. Da liegt an einer Landspitze nur ein paar Kilometer oberhalb von Saint-Valery-sur-Somme der winzige Ort Le Hourdel. Ein paar Häuser, ein Hafen, ein kleiner Leuchtturm.

Leuchtturm in Le Hourdel

Auf der anderen Seite der Mündung ziehen sich die Sandstrände des Naturschutzgebiets das Ufer entlang, hier sind es Kiesstrände. Der Spaziergang wurde dadurch von einem ungewohnt knirschenden Geräusch begleitet und der Wellengang rauschte nicht nur einfach, sondern wurde vom Klang rollender Feuersteine untermalt.

Aus dem Wasser ragt ein beliebtes Fotomotiv: ein deutscher Bunker, der langsam versinkt. Das Beste, was so ein Bunker machen kann. Und ich entdeckte das einzige Steinmännchen der ganzen Gegend, weithin sichtbar auf einem Pfahl aufgetürmt.

Einige Kilometer weiter der nächste Leuchtturm.

Phare de Brighton

Auch wenn der kleine Ortsteil Brighton heißt und England nah ist, es ist ein Vorort von Cayeux-sur-Mer und tatsächlich in Frankreich.

An dieser Stelle kommt man nicht an den Strand, denn hier wird der Kies, der aus rundgeschliffenen Feuersteinen besteht, abgebaut und in die halbe Welt exportiert.

Ganz zum Schluss streiften wir Cayeux-sur-Mer, warfen ein Blick auf die Strandbuden…

Cayeux-sur-Mer

… und fuhren nach Hause, um uns unsere Schätze anzusehen. Denn wir sind natürlich nicht einfach nur am Strand langgelaufen, sondern haben gesammelt. Keine Muscheln, sondern Hühnergötter.

Es mögen sich auch ein paar andere Steine in die Hühnergöttersammlung verirrt haben.


Dünen

Wir waren am Meer. Das klingt erst einmal unspektakulär. Der Weg schlängelte sich durch einen Kiefernwald in Richtung Dünen und Strand. Google behauptete im Nachhinein, dass man zu Fuß etwa 40 Minuten benötigt. Was beweist, dass Google keine Ahnung vom Laufen in weichem Sand hat.

Am Ziel dann eine Landschaft, die uns an die Düne Pilar erinnerte. Otto schaute es sich von oben an und brachte ein paar Bilder mit.

Frida war auch ganz begeistert.

Und ich frage mich immer noch, was das Schild am Strandeingang bedeutet, auf dem in einem roten Kreis das Bild eines Hundes durchgestrichen ist.


Ville Haute

Saint-Valery-sur-Somme ist alt. So alt, dass die Oberstadt (Ville Haute) noch viel Bausubstanz aus dem Mittelalter beherbergt.

Sie breitet sich auf einem Felsen aus, der die Mündung der Somme überblickt und schon vor dem Mittelalter besiedelt war. Damals (um 500) hieß der Ort noch Leuconay. Damals gründete hier ein Herr Valery ein Kloster. 1000 Jahre später wurde er heiliggesprochen. Und so wurde aus Herrn Valery der Helige (Saint) Valery und aus Leuconay Saint-Valery-sur-Somme.

Und irgendwo in den Gassen stand dieses schmale Gebäude, bei dem ich an ein Gemälde von Vermeer denken musste. Na gut, andere Zeit, anderes Land, aber die Assoziation bleibt.