Hamm statt Münster

Zufällig haben Daniela und ich im August gleichzeitig das Deutschlandticket. Meistens habe ich ja ein VRR-Ticket und wir sind daher ab und zu am Wochenende im Ruhrgebiet unterwegs. So war es naheliegend, sich jetzt mal in die andere Richtung zu orientieren (also außerhalb des Tarifgebiets des VRR) und nach Münster zu fahren. Gestern wollten wir dort frühstücken, auf den Markt gehen und zum Schluss noch einen Abstecher zum Hafen machen.
Das funktionierte ähnlich gut, wie meine Rückfahrt aus Essen am Dienstag: Der RE7 kam mit 15 Minuten Verspätung (verspätete Bereitstellung). 11 Minuten später war er in Hamm und blieb stehen. Zunächst wegen eines Polizeieinsatzes, dann wegen Störungen an der Oberleitung.

Nichts bewegte sich mehr. Eine Sitzreihe weiter schnarchte ein in Hamm zugestiegener Fahrgast.
Irgendwann hatten wir keine Lust mehr dem Schnarchen zuzuhören und beschlossen stattdessen uns Hamm anzusehen. Immerhin bin ich dort aufgewachsen.


Zum Frühstück zog es uns an den Ort, an dem früher der Sportplatz meiner Schule war. Kaffee und Brötchen/Croissant war zwar überteuert, aber das Gefühl heute gemütlich an einem Ort zu sitzen, an dem ich früher viele grässliche Stunden auf einem Aschenplatz verbracht hatte, machte es wett (er hat mir immerhin ein paar kleine Narben am linken Knie beschert, da bin ich nachtragend). Und durch Frida – über sie kommt man mit hundeaffinen Menschen schnell ins Gespräch – hatten wir eine angenehme Unterhaltung mit den Menschen vom Nachbartisch, die früher mal in Bergkamen wohnten. Dadurch wissen wir jetzt, wo sich gastronomisch ein Zwischenhalt auf dem Weg zur Marina Rünthe lohnt, auf dem wir häufiger mit dem Rad unterwegs sind. Das war schon mal ein guter Einstieg.


Daniela musste danach noch etwas in der Apotheke besorgen und brachte den Tipp mit, sich, mal das Martin-Luther-Viertel anzuschauen. Früher waren dort Kinos, ein Second-Hand-Laden, in dem ich mich damals mit Lesefutter versorgte, und einen Fotoladen, aus dem meine erste Kamera stammte. Das ist alle weg, statt dessen gibt es in dem kleinen Viertel heute Kunst, nicht nur an Hauswänden, sondern auch direkt von Künstlern und Kunsthandwerkern. Haben wir uns sofort angesehen, waren ja nur ein paar Meter bis dahin. Und gerade als ich dort Frida vor einem Graffiti fotografierte …

Spitze Ohren

… sprach uns Hartmut Lobert an, der dort im Hinterhof der Martin-Luther-Strassenführuung 11 seine Galerie hat, in der Holzarbeiten von ihm und anderen ausgestellt sind und auf Käufer warten. Wirklich feines Kunsthandwerk zu überschaubaren Preisen, mal eher praktisch, mal einfach nur schön. Auch hier wieder ein schönes Gespräch und wir nahmen nicht nur zwei schöne Stücke mit, sondern auch neues Wissen über die internationale Vernetzung der Drechslerszene (ich wusste nicht, dass es die überhaupt gibt) und Tipps für Reisen in die Bretagne.


In Münster hätten wir auf dem Markt Käse, Cremes und Brot gekauft. Das ging auf dem Markt rund um die Pauluskirche in Hamm aber auch ganz prima. Die Grundversorgung für die nächsten Tage ist gesichert. Obendrauf gab es noch Kibbelinge mit einer großartigen hausgemachten Remoulade und zum Abschluss ein Getränk in der Gastronomie gleich um die Ecke.
Das war alles ganz anders als geplant, aber hat viel Spaß gemacht.

Ein Bild der Mona Lisa auf einem Garagentor
Mona Lisa

Die Rückfahrt ging dann auch mit Verspätung los. Die Strecke war immer noch gesperrt und der Lokführer musste aus Münster per Taxi heran gekarrt werden, was dann einfach recht lange dauerte. Mit der Bahn ist man unter normalen Umständen schneller zwischen Städten unterwegs, als mit dem Auto.

Ganz zum Schluss noch das Objekt, was ich mir mitgenommen habe.

Ein kleines Objekt aus Holz, das wie ein aufgeschlagenes Buch aussieht
Kirschbuch

Ich bin ja eigentlich sehr zurückhaltend, wenn es um Dinge geht, die später einfach nur herumstehen und Staub ansetzen. Aber dieses kleine Buch, das aus einem Stück Kirschholz gefertigt wurde, hatte es mir sofort angetan. Ich mag die organische Verformung, die durch das Anflämmen hervortretende Textur und generell einfach die Idee eines Buchs aus Holz. Und da es ein Buch ist, wird es vermutlich einen besonderen Platz im Bücherregal bekommen.

Schacht Franz

Das Wetter ist seit Tagen grau-regnerisch und will es auch noch eine Weile bleiben. Da erfreut schon ein Tag, der auf den Regen verzichtet und nur grau ist. Das will ausgenutzt werden. Also mehr Haldentourismus.

Diesmal das Zentrum des Lippepark, der eigentliche Park und der Schacht Franz. Ein paar hundert Meter weiter südlich liegen die Halde Humbert und die Kissinger Höhe. Die kennen wir jetzt schon.

Genau genommen ist das Haldenzeichen auf dem Schacht Franz der Grund, warum wir überhaupt auf die Halden und den Lippepark aufmerksam geworden sind. Wir sahen ihn vor längerer Zeit einmal im Vorbeifahren, hatten zwar keine Lust auszusteigen und einen genaueren Blick auf das seltsame orange Ding zu werfen, aber es blieb im Kopf.

Mit dem Lippepark wollte Hamm eigentlich die Landesgartenschau 2014 ausrichten. Das klappte zwar nicht. Aber der Park entstand dennoch und verwandelte 42ha Industriebrache in ein vielfältiges Naherholungsgebiet

Jetzt fehlt uns in der Sammlung nur noch die Zeche Radbod. Hier schon mal ein erster Blick aus der Ferne.

Ich muss zugeben, daß ich bei den Fotos etwas gemogelt und sie kräftig nachbearbeitet habe. Ich hatte Lust auf mehr Farbe und weniger Januargrau.


Kissinger Höhe

Im zweiten Anlauf hat es dann geklappt. Eigentlich wollten wir ja schon letztes Jahr (also vor gut einer Woche) hinauf auf den höchsten Punkt der Stadt Hamm, aber dank Google und Wetter blieb es bei einem kurzen Ausflug zur Halde Humbert.

Von uns aus gesehen knapp hinter Pelkum ragt die Kissinger Höhe 58 Meter aus der Landschaft empor. Anfang der siebziger Jahre tobte noch eine heftige Auseinandersetzung um die Genehmigung der Halde. Unmengen von Abraum vor die Nase gesetzt zu bekommen gehört nun wirklich nicht zu den Dingen, die man richtig gern hat. Vor allem als Anwohner. Letztlich setzten sich die Industrieinteressen durch und im Laufe von 25 Jahren entstand Hamms höchster Punkt.

Inzwischen ist sie begrünt und wird vielfältig genutzt. Nicht nur Naherholung, sondern auch ein wenig Wissensvermittlung über den Bergbau und Kultur. Und ist eines der Panoramen der Industriekultur. Die Geschichte hat ihr Happy End gefunden.

Rechts hinten:die Pauluskirche

Von oben sollten sowohl die Pauluskirche von Hamm, als auch die Stadtkirche von Unna zu sehen sein. Richtung Hamm passte das auch, aber Richtung Unna war es heute zu diesig. Der Ostpol war noch mit Mühe zu erkennen, aber Unna versank im Diffusen.

Nebenbei: in Unna haben wir natürlich eine größere und höhere Halde ;-)


Halde Humbert

Eigentlich wollten wir zur Kissinger Höhe im Hammer Stadtteil Herringen, aber Google routete uns in eine Sackgasse und wir hatten keine Lust weiter rumzukurven. Also nahmen wir die Alternative, die direkt vor unserer Nase lag: die Halde Humbert (liegt direkt nebenan).

Auf dem Weg nach oben begann es zu regnen und oben angekommen stellte Daniela fest, dass sie sich Blasen gelaufen hatte. Also gingen wir auf dem kürzesten Weg zurück.

Aber wir werden zurückkehren, denn der Lippepark mit seinen Halden sieht interessant aus und man kann weit in die Landschaft schauen. Dann richtig geroutet, bei besserem Wetter und anderen Schuhen.

Warum in die Ferne schweifen?

Gelegentlich entdeckt man schöne Sachen in unmittelbarer Umgebung. Diesmal war es Haus Heeren in Kamen-Heeren. Ein nettes kleines Wasserschlösschen in Privatbesitz.


Den Namen des Schlösschens erfuhren wir zufällig am nächsten Tag, als wir am Beversee und dem Datteln-Hamm-Kanal spazieren gingen. Im Ökologiehof hinter dem Kraftwerk (Ruhrgebiet = Industrienatur) fand sich ein Buch, in dem Haus Heeren abgebildet war. Nützlicher Zufall.