Quai Digue Nord

Gestern war es warm. Warm im Sinne von „am besten bewegt man sich nicht“. Vormittags schauten wir uns noch den Markt an, der äußerst gut besucht war und auf dem schon die Hitze des Tages zu spüren war. Danach brauchten wir erstmal eine lange Pause.

Erst am späten Nachmittag, als Wind aufkam, trauten wir uns wieder raus. Und erlebten eine Überraschung. Ich hatte von unserer Wohnung aus immer wieder einmal aus der Ferne seltsame Geräusche gehört, von denen ich dachte „Hört sich an wie eine Dampflok“. Was ich etwas absurd fand.

Unten am Hafen begrüßte uns zuerst die Billeterie du Port.

Billeterie du Port

Und ein paar Meter weiter ein alter Zug, der tatsächlich von einer Dampflok gezogen wurde.

Mit den alten Häusern im Hintergrund fühlte es sich wie eine kleine Zeitreise an.

Der Hafen wird durch eine Art Landzunge – dem Quai Digue Nord – von den Salzwiesen getrennt, die je nach Tide mal unter Wasser stehen und mal trocken fallen. An der Spitze steht ein kleiner Leuchtturm, den wir schon am ersten Abend von der Uferpromenade aus gesehen hatten. Bis dahin waren es zwar ein paar Meter zu laufen, aber dank des Windes war es angenehm.

Links Saint-Valery-sur-Somme und rechts die Salzwiesen.

Salzwiesen

Otto hatte dann auch noch die Gelegenheit sich umzuschauen bis der Wind zu stark wurde und ich ihn zurückholte.

Saint-Valery-sur-Somme

Saint-Valery-sur-Somme

Der Regen hörte auf und wir hatten wider Erwarten doch noch Lust auf einen Abendspaziergang. Auf der langen Uferpromenade waren erstaunlich viele Menschen unterwegs, auf der Suche nach einem Restaurant mit schönem Blick über die Somme. Davon gibt es eine Menge hier und alle waren gut besucht. Aber insgesamt hatte die Abendstimmung etwas Entspanntes. Vielleicht lag es auch am Niedrigwasser, bei Ebbe wirkt alles ruhiger.

Während wir am Ufer entlang schlenderten, fiel mein Blick auf den Boden:

Ein paar Wochen zuvor wurde das olympische Feuer über diese Uferpromenade getragen. Von hier aus sind es ja auch nur noch 170 km bis Paris.

Und England ist noch viel näher. Deswegen sammelte Wilhelm der Eroberer hier in  Saint-Valery-sur-Somme  seine Flotte und brach am 30.9.1066 in Richtung England auf. Was dann eher nichts mit dem friedlichen Gedanken der olympischen Spiele zu tun hatte.

Angekommen

Wir sind an der Somme angekommen und es regnet.

Ein regennasser Balkon mit zwei Stühlen und einem Tisch. Im Hintergrund eine Landschaft mit Wiesen und Bäumen

Aber das macht gar nichts. Wir haben eingekauft und genug zu essen und zu trinken. Wir können an den geöffneten Balkontüren sitzen, dem Regen zuhören und müssen nirgendwo mehr hin.

Entspannung.

Pain d’épices vahiné

Im Mai saßen wir am Strand in Frankreich, Frida wetzte nach ihrem Unfall wieder geschmeidiger durch die Gegend, wir schauten auf das Meer und ich ließ den Sand durch meine Finger gleiten.

Da tastete ich etwas Festes und zog es aus dem Sand. Es entpuppte sich als ein Stück Papier, ein Rezept für Honigbrot.

Das Rezept

Jetzt – ein gutes halbes Jahr später – ist es die richtige Jahreszeit für Honigbrot und ich habe das Rezept ausprobiert.

Ingrédients

  • 200g miel
  • 100g beurre
  • 10cl lait
  • 200g farine
  • 1/2 sachet de levure chimique
  • 2 cuillères à cafe  mélange pain d’épices
  • 80 g cassonade

Preparation

  • Faites fondre le miel avec le beurre dans le lait chaude
  • Incorpores la levure chimique et le mélange pain d’épices et la farine
  • Mélangez tout ensemble puis ajoutez la cassonade
  • Versez dans un moule beurre, puis enfournez 50 min das un four préchauffe a 160C

Oder auf Deutsch:

Zutaten

  • 200g Honig
  • 100g Butter
  • 10cl Milch
  • 200g Mehl
  • 1/2 Päckchen Backpulver
  • 2 Teelöffel Lebkuchengewürz
  • 80g brauner Zucker

Zubereitung

  • Schmelzen Sie den Honig mit der Butter in der warmen Milch.
  • Geben Sie das Backpulver, die Lebkuchenmischung und das Mehl hinzu.
  • Alles miteinander verrühren und  fügen sie dann den braunen Zucker hinzu
  • In eine gebutterte Form gießen und 50 Minuten im vorgeheizten Ofen bei 160°C backen.

Ein angenehm einfaches Rezept. Als der Kuchen aus dem Ofen kam, sah er so aus:

Laut Rezept gehörte auch ein Guss dazu, aber die vorgeschlagenen 250 Gramm Puderzucker waren uns eindeutig zu viel. Also hat Daniela aus ein paar Löffeln Puderzucker und einem Spritzer Zitrone einen leichteren und fruchtigeren Guss gezaubert.

So wurde das Honigbrot perfekt. Am Besten schmeckt es mit etwas Butter.

Aber ein Rätsel bleibt: das Rezept heißt Pain d’épices vahiné, also wörtlich tahitianisches Gewürzbrot. Was hat es mit Tahiti zu tun? Für sachdienliche Hinweise bin ich dankbar.

Thonon-les-Bains

Wir sind wieder unterwegs. Es geht nach Hause, aber nicht sofort. Heute erst einmal  Zwischenstation am Genfer See in Thonon-les-Bains. Vor ein paar Tagen kauften wir im Supermarkt eine Flasche Wasser und entdeckten später, dass es Thonon hieß. Was eigentlich nicht überraschend ist, denn es gibt hier heilende Quellen (daher les-Bains) und Evian ist nur ein paar Kilometer entfernt. 

Der Ort liegt zwar fast am Ufer des Genfer Sees, aber 50 Meter höher. Es ist bequem hinunterzugehen, um sich von der Promenade aus Hafen und See anzusehen. Aber die Strecke wieder hoch zu kraxeln ist dann nicht mehr so bequem. Daher wurde 1888 eine Funiculaire (Seilbahn) gebaut, die  Einzige auf der Welt, bei der sich die Wagons in einer Kurve kreuzen und die zusätzlich den Vorteil hat, dass sie immer noch in Betrieb ist. 

Mussten wir unbedingt ausprobieren. Und für Frida war es die erste Seilbahnfahrt. 

Wohnung mit Aussicht

In Bouzigues bewohnen wir die Unterkunft mit der grandiosesten Aussicht unserer Reise. Von der Dachterrasse aus geht der Blick über den Étang de Thau bis Marseillan und den Mont Saint-Loup. Da ist viel Wasser, noch mehr Himmel und Austernbänke fast bis zum Horizont. 

Die Aussicht ist nicht langweilig, da gibt es die Boote der Austernfischer, eine Gruppe Segelanfänger oder zweimal täglich das Ausflugsboot, das Interessierten den Étang näher bringt. Diverse Windsurfer kreuzen hier, gelegentlich paddelt in der Ferne ein SUP und zwischen den Austernbänken saust jemand auf einem eFoil (ein Elektro-Surfbrett, mit dem man quasi über dem Wasser schwebt). Oder Langstreckenschwimmer kommen vorbei und ziehen eine kleine Boje hinter sich her. Genau wie die Schnorcheltaucher, aber die haben noch eine kleine Fahne auf der Boje. 

Und ab und zu schwimmt jemand einfach.

Als Tonspur gibt es dazu das leise Geplätscher von Wellen und das Klacken von Boulekugeln.

Aber das Eindrücklichste ist die Erfahrung, wie sich ein und dieselbe Aussicht mit Tageszeit und Wetter verändert. 

Bei den Fotos habe ich keinen Filter benutzt. Die Farben sind die, die einfach da waren. 


Candice Renoir und Paul Valéry

Noch kurz vor unserer Reise sahen wir uns neue Folgen der Krimiserie Candice Renoir an, die in Séte spielt. Ein immer wieder auftauchender Schauplatz in der Serie ist das Kommissariat, das natürlich nicht echt ist. Mit etwas Recherche fand ich die genaue Adresse: Quai Vaudan 8. Da war mal eine Verwaltung drin und im Moment – die Serie endete letztes Jahr nach zehn Staffeln – wird es renoviert. Es fühlt sich seltsam surreal an, einen Ort in der Wirklichkeit zu sehen, der eigentlich aus der Fiktion einer Fernsehserie stammt. Das war wie damals beim Antiquariat Solder

Quai Vaudan 8

Wir schlängelten uns von dort zu Fuß – mit dem Auto in Séte unterwegs zu sein ist eine Strafe – zum Cimetière marin. Knapp unterhalb des Leuchtturms in den Hang gebaut, hat er eine grandiose Aussicht auf das Meer.

Cimetière marin

1920 widmete der in Séte geborene und hier begrabene Lyriker und Philosoph Paul Valéry diesem besonderen Ort ein Gedicht. Zwei Zeilen daraus sind in seinen Grabstein eingraviert 

O récompense aprés une penseé
Qu’un long regard sur le calme des dieux

Auf Deutsch ungefähr „Die Belohnung nach einem Gedanken ist ein langer Blick auf die Ruhe der Götter“. Für jemanden, der sich in seiner Philosophie ausführlich mit dem Denken beschäftigt hat, ein perfekter Grabspruch. 

Es hat mich neugierig gemacht, etwas von Paul Valéry zu lesen. Aber auf die noch nicht gesehenen Folgen von Candice Renoir freue ich mich auch. Kultur ist vielfältig.