Das geht ja gar nicht

Mir fällt in der letzten Zeit aufgefallen, dass die Haltung von jeder Lappalie bodenlos empört zu sein, immer mehr um sich greift. Stellvertretend dafür steht für mich die Floskel „das geht ja gar nicht“. Ich höre sie nicht nur häufiger als früher, ich benutze sie sogar selbst gelegentlich.
Meine These ist nun, dass die Aufmerksamkeitsalgorithmen – oder vielleicht treffender Hassalgorithmen – der kommerziellen sozialen Netze dafür verantwortlich sind. Ein Teil der Gesellschaft übt sich ständig darin, empörter als alle anderen zu sein. Das färbt auf ihr alltägliches Verhalten ab. Und damit erreicht es die Menschen in ihrer Umgebung. Empörungsfloskeln werden also mit Hilfe von Maschinen eingeübt und das Eingeübte sickert dadurch in die alltägliche Sprache und formt damit unsere Weltsicht.
Soweit meine Behauptung. Beweisen kann ich sie nicht, aber ich kann sie mit einer offenkundigen Korrelation stützen (und ja, ich weiß, dass Korrelation keine Kausalität impliziert. Nennen wir es einfach einen Datenpunkt, der meine Annahme stürzt).

Ich habe Googles Books Ngram Viewer befragt: zuerst die Häufigkeit für „das geht ja gar nicht“ und dann stellvertretend für alle kommerziellen sozialen Netzwerke „Twitter, Facebook

Für mich folgt daraus, aus jeder Empörung – vor allem auch der eigenen – erst einmal die Luft zu lassen. Es gibt Sachen, die empörend sind. Aber das Etikett überall dranzukleben entwertet die wirklich wichtigen Dinge.


Pain d’épices vahiné

Im Mai saßen wir am Strand in Frankreich, Frida wetzte nach ihrem Unfall wieder geschmeidiger durch die Gegend, wir schauten auf das Meer und ich ließ den Sand durch meine Finger gleiten.

Da tastete ich etwas Festes und zog es aus dem Sand. Es entpuppte sich als ein Stück Papier, ein Rezept für Honigbrot.

Das Rezept

Jetzt – ein gutes halbes Jahr später – ist es die richtige Jahreszeit für Honigbrot und ich habe das Rezept ausprobiert.

Ingrédients

  • 200g miel
  • 100g beurre
  • 10cl lait
  • 200g farine
  • 1/2 sachet de levure chimique
  • 2 cuillères à cafe  mélange pain d’épices
  • 80 g cassonade

Preparation

  • Faites fondre le miel avec le beurre dans le lait chaude
  • Incorpores la levure chimique et le mélange pain d’épices et la farine
  • Mélangez tout ensemble puis ajoutez la cassonade
  • Versez dans un moule beurre, puis enfournez 50 min das un four préchauffe a 160C

Oder auf Deutsch:

Zutaten

  • 200g Honig
  • 100g Butter
  • 10cl Milch
  • 200g Mehl
  • 1/2 Päckchen Backpulver
  • 2 Teelöffel Lebkuchengewürz
  • 80g brauner Zucker

Zubereitung

  • Schmelzen Sie den Honig mit der Butter in der warmen Milch.
  • Geben Sie das Backpulver, die Lebkuchenmischung und das Mehl hinzu.
  • Alles miteinander verrühren und  fügen sie dann den braunen Zucker hinzu
  • In eine gebutterte Form gießen und 50 Minuten im vorgeheizten Ofen bei 160°C backen.

Ein angenehm einfaches Rezept. Als der Kuchen aus dem Ofen kam, sah er so aus:

Laut Rezept gehörte auch ein Guss dazu, aber die vorgeschlagenen 250 Gramm Puderzucker waren uns eindeutig zu viel. Also hat Daniela aus ein paar Löffeln Puderzucker und einem Spritzer Zitrone einen leichteren und fruchtigeren Guss gezaubert.

So wurde das Honigbrot perfekt. Am Besten schmeckt es mit etwas Butter.

Aber ein Rätsel bleibt: das Rezept heißt Pain d’épices vahiné, also wörtlich tahitianisches Gewürzbrot. Was hat es mit Tahiti zu tun? Für sachdienliche Hinweise bin ich dankbar.

Miró, Tàpies und die Fischbrathalle

Wir waren nach über einem Jahr wieder in Münster. Diesmal ohne Frida, die derweil von meiner Mutter verwöhnt wurde.

So konnten wir auch diese Ausstellung sehen:

Tàpies und Miró

Miró wäre dieses Jahr 130 geworden und Tàpies 100. Das Picasso-Museum nahm das als Anlass, ihre Arbeiten – vor allem Druckgrafiken – gegenüberzustellen. Denn trotz des großen Altersunterschieds waren beide eng befreundet und es gibt viele künstlerische Parallelen. Außerdem sahen sich sehr bewusst als Katalanen, was sie natürlich sofort in Opposition zu Franco brachte.

Was für mich beide gemeinsam haben: ihre Kunst ist ohne Erklärung und ohne das Wissen um die Hintergründe unverständlich. Und während bei Miró bunte Farben scheinbar eine Annäherung erleichtern, bleibt Tàpies braun-graue Palette, die nur gelegentlich von dem gelb und rot der katalanischen Flagge ergänzt wird, eher unzugänglich. Dank der thematischen Gliederung der Ausstellung, erläuternder Texte und Audioguide erschließt sich die symbolische Welt der Beiden. Warum beispielsweise in seinen Werken nie den ganzen Menschen abbildet, sondern nur Körperteile oder worauf sich Mirós Schmutzige Hände beziehen.

Das macht auf einer intellektuellen Ebene Spaß, aber ihr sehr eigener Zugang zu Malerei und Grafik wird alle enttäuschen, die mehr was fürs Auge erwarten. Was in Ordnung ist, denn Kunst ist vielgestaltig.

Die Fischbrathalle

Vor dem Besuch der Ausstellung waren wir zum ersten Mal in der Fischbrathalle, die nur drei Jahre jünger als Tàpies ist, also ein echter Traditionsbetrieb ist. Nach ein paar Minuten Wartezeit am Windfang wurde ein Tisch frei. Zu einem Pinkus Spezial (das passende Bier für Münster) bestellte ich mir Fischgeschnetzeltes. Das hatte etwas Nostalgisches, denn es gab dazu Salzkartoffeln und Kopfsalat mit Sahnesoße. Beides war in meiner Kindheit Alltag, danach verschwanden sie einfach. Dadurch ist es für mich zu etwas Besonderem geworden und ich genieße diese „einfachen“ Beilagen zu dem leckeren Fisch.

Und während wir in Münster waren, hatte Frida offensichtlich einen abwechslungsreichen Tag mit meiner Mutter, denn als wir wieder mit ihr zu Hause waren, zog sie sich sofort ins Körbchen zurück und schlief tief und fest.


Das Programmkino für zu Hause

Nach einer Frida-bedingten Pause haben wir vor ein paar Wochen endlich wieder unsere Bibliotheksausweise verlängert. Mit inbegriffen ist da inzwischen Filmfriend. Das ist ein Streamingdienst, beim dem man aktuell zwischen 2000 Filmen und 120 Serien auswählen kann.

Und pro Jahr kommen etwa 300 Filme dazu. Thematisch sind das meist Filme, die ich in Programmkinos erwarten würde. Tatsächlich haben wir einige aus dem Angebot auch genau dort schon gesehen. Also eher keine Blockbuster, aber die finde ich meist ohnehin total langweilig. Na gut, so ein paar Filme befinden sich im Fundus, die sind einfach nur doof. Aber muss ich mir ja nicht ansehen.

Mein persönlicher Favorit bisher: Medianeras, ein kluger und lustiger Film über Architektur, trennende Wände und die Schwierigkeit den richtigen Menschen für sich im Gewimmel der Großstadt zu finden.


Emscherquelle

Wir waren Moos sammeln im Sölder Holz. Das ist erst einmal nichts besonderes, aber hier entspringt ein bedeutendes Stück Ruhrgebiet: die Emscher.

Die ersten Meter der Emscher

Bis zum Emscherquellhof, der gerne fälschlicherweise für den Ort der Quelle gehalten wird, sind es von hier noch ein paar hundert Meter. Aber die wahre Quelle (eigentlich Quellen) ist hier.

Was dann aus diesem Bächlein, das ganz unspektakulär in einem Wäldchen entspringt, auf seinem Weg zum Rhein mal wurde – die Kloake des Ruhrgebiets – gehört glücklicherweise der Vergangenheit an. Heute ist es eher ein Symbol für die Wandel im Ruhrgebiet, renaturiert und weit weg von dem Grau früherer Jahrzehnte.

Das Moos liegt jetzt übrigens in ein paar Blumenkübeln unter kleinen Kiefern und Fichten und zaubert einen Hauch Waldatmosphäre auf unseren Balkon.


Zur Nordsee und zurück

Bevor wir gestern nach Goedereede fuhren, waren wir ein letztes Mal für dieses Jahr an der Nordsee.

Es war gerade Ebbe, als wir am Strand ankamen. Die Wellen der Nordsee durch 700 Meter nasses Watt von uns getrennt. Die Drohne hat dann mal nachgeschaut, ob da hinten wirklich das Meer ist.

Und ja, es war da. Jetzt sind wir wieder zurück in Unna und freuen uns, dass wir ein paar Tage am Meer verbringen durften.


Goedereede

Nachdem es heute lange grau und nieselig war – auch gerne Nordseewetter genannt – kam gegen Abend noch einmal kurz die Sonne heraus.

Wir fuhren spontan in den Nachbarort Goedereede.

Es ist ein winziges Städtchen, das so wirkt, als ob es gerade aus dem sechzehnten Jahrhundert in die Jetzzeit gepurzelt wäre. Und so ein ganz kleines bisschen kann man sich vorstellen, wie es auf dieser Insel – Goeree-Overflakkee – früher anfühlte, als sie noch nicht über Brücken mit dem Festland verbunden war.

Abgelegen war es, so abgelegen, dass sich hier ein sehr eigener Dialekt entwickelte. Und als sich vor ein paar Jahren diverse evangelische Kirchen zusammentaten, spalteten sie sich gleich wieder zur Wiederhergestellten Reformierten Kirche ab. Man ist hier Calvinist und nicht Lutheraner.

Die Insel ist schon was besonderes.