Einmal zum Tod und zurück

Stellen sie sich vor, sie würden morgen genau zu dieser Zeit sterben. Sind sie mit ihrem Leben zufrieden? Hätten sie – vor allem in der letzten Zeit – lieber etwas anders gemacht?

In der Zeit vorangehen bis zum eigenen Tod ist, auch wenn das paradox klingt, hilfreich für das eigene Leben. Aus dieser endgültigen Perspektive heraus fällt es wesentlich leichter zu ignorieren, was man tut und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Wenn sie sich auf diese Weise unabhängig davon gemacht haben, was allgemein üblich ist und normalerweise getan wird, können sie an den Entwurf des eigenen Lebens gehen (oder ihn überarbeiten). Dazu pendelt der Blick von der eigenen Vergangenheit über die Gegenwart auch immer wieder – das ist für die freie Sicht wichtig – zum Tod.
Wem es nicht gelingt, aus dem eigenen Leben genug Anregungen zu ziehen, der kann die Reise in die Vergangenheit auch weiter fortsetzen und sich bei historischen Personen bedienen. Sie sollten nicht versuchen deren Leben zu kopieren, aber aus diesen bis zum Ende gelebten Leben lassen sich oft interessante Anregungen schöpfen.

Für die praktische Umsetzung dieses Verfahrens ist eine Warnung angebracht. Sie sollten nicht über ihr Leben nachdenken, wenn sie in einer grüblerischen Stimmung sind. Es würde sie nirgendwo hin bringen. Suchen sie sich einen Moment aus, in dem sie entspannt und vielleicht sogar positiv sind.

  • Das, was man tut oder sagt, ist nicht unwichtig. Sie können sich z.B. nur deshalb mit ihren Mitmenschen unterhalten, weil man die gleiche Sprache spricht. Sich unabhängig vom man zu machen heisst nicht, es zu ignorieren.
  • Finden sie die Dinge, die ihnen bisher Freude gemacht und sie befriedigt haben. Betrachten sie sie vom Zeitpunkt ihres Todes aus: sind diese Dinge ausreichend, um von einem erfüllten Leben sprechen zu können?
  • Suchen sie nach Vorbildern, die sie inspirieren. Das kann sich auch auf einzelne Ereignisse in dem Leben dieser Personen beziehen.

Übertreibungen

Nie trägst du den Müll runter!
Immer bist du zu spät!
Es ist einer der beliebtesten Kommunikationskiller: die Übertreibung. Es wird niemand immer den Müll vergessen oder nie pünktlich sein, aber diese Steigerung von gelegentlich/dieses Mal auf immer/nie macht die Aussage natürlich stärker. So stark, dass sie nicht mehr den Tatsachen entspricht und sich der Angesprochene unweigerlich auf die Füsse getreten fühlt. Sofort sind Emotionen im Spiel (nicht die von der positiven Sorte) und der eigentliche Gegenstand des Wortwechsels gerät aus dem Blickfeld.
Deshalb:

  • Kontrollieren sie ihre Sprache und vermeiden sie solche Übertreibungen.
  • Falls sie damit konfrontiert werden, bleiben sie ruhig. Es ist allein ihre Entscheidung, ob sie darauf einsteigen oder doch lieber einen kühlen Kopf bewahren wollen.

Aber nicht nur in Gesprächen stolpern wir immer wieder über Übertreibungen. Wir basteln uns für uns selbst mit viel Eifer aus Mücken Elefanten. Wenn sie sich bei so etwas ertappen, dann treten sie geistig einen Schritt zurück und sehen sie die Mücke wieder als Mücke. Das Leben wird im Gegensatz zu Kinofilmen durch Dramatisierungen nicht besser.


Glück

Wenn von Türen die Rede ist, so ist allen Beteiligten klar, wovon gesprochen wird. Aber sobald man sich über das Glück unterhält, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Zu vielfältig sind die Bedeutungen, die diesem Begriff untergeschoben werden.
Bevor man sich also sinnvoll um „das Glück“ kümmern kann, sollte man erst einmal herausfinden, was das eigentlich ist.
Dass das nicht ganz einfach ist zeigt das „Teil 1“ in der Überschrift.
Den Anfang macht eine Unterscheidung, die uns als erstes von den alten Griechen überliefert ist: Tyche, das zufällige Glück, und Eudaimonia, die (der Begriff wirkt etwas antiquiert) Glückseligkeit.

Tyche
Nicht nur das Glück im Spiel, sondern bei allem, wo man Glück hat, ist von Tyche die Rede. Es liegt in der Natur dieses Begriffs, dass sich diese Sorte des Glücks nicht beeinflussen lässt. Es trifft einen … oder auch nicht.

Eudaimonia
Die Eudaimonia hingegen ist ein Zustand. Auf sie passt eher die Aussage „Ich bin glücklich“ als „Ich habe Glück“. Aber schon bei der genaueren Beschreibung dieses Zustandes wird es schwierig. Nicht nur jedes Zeitalter, sondern auch beinahe jeder Autor hat andere Vorstellungen davon. So sah Arristoteles die Eudaimonia im Philosophieren verwirklicht, Hedonisten im Ausleben der Lüste und einige christliche Mystiker im Aufgehen in Gott.
Eigentlich lässt sich mit Bestimmtheit nur sagen, dass Eudaimonia nicht Tyche sein kann. Aber davon abgesehen so ziemlich alles.
Was lässt sich daraus lernen? In jedem Fall den Begriff „Glück“ mit großer Vorsicht zu behandeln. Man wird ihn selbst mit Inhalt füllen und dabei kritisch mit den ganzen überlieferten Ideen umgehen müssen.


Ideen und Gewohnheiten

Im Ideentower fand ich drei simple Regeln um die eigene Kreativität lebendig zu erhalten. Sie sind weder neu, noch kompliziert, und lassen sich letztlich auf zwei Schwerpunkte eindampfen:

  1. Stelle ständig deine Gewohnheiten und Annahmen in Frage, sowohl theoretisch, wie auch praktisch. Und sei es auch nur, daß du einen neuen Weg zur Arbeit nimmst. Das hält di Sicht auf die Welt geschmeidig.
  2. Notiere dir deine Ideen. Immer. Sofort. Sonst verschwinden sie spurlos.

In Phasen gänzlicher Unkreativität fällt mir typischerweise nicht einmal ein, wie ich aus meinen Gewohnheiten herauskomme. Daher sollte man sich auch Gewohnheitsverletzende Maßnahmen notieren. Sind ja auch Ideen.
Wie gesagt, es ist trivial. Aber gerade dadurch läßt es sich gut in den Alltag integrieren.


Nach oben schauen

Von einem Besuch im Palast der Projekte brachte ich folgendes Experiment mit: nach oben schauen. Das Übungsgerät in der Ausstellung als Anregung nutzend habe ich es heute morgen einmal beim Brötchenholen in abgewandelter Form ausprobiert: den Blick immer oberhalb der Horizontlinie halten. Es ist ungewohnt. Statistisch – wird in der Ausstellung behauptet – laufen wir meist mit gesenktem Blick durch die Gegend. Der Erfinder des Übungsgerätes ging davon aus, das der Blick nach oben zu einer positiveren Lebenseinstellung führt.

Mir jedenfalls kam es nach kurzer Zeit so vor, als ob mein Blick seine eigene Schwere hätte, die ihn in Richtung Erde ziehen würde. Natürlich bildete ich mir das ein, ab die Gewohnheit doch die meiste Zeit nach unten zu blicken, zeigte Wirkung. Aber interessanter noch war der Effekt auf meine Gedankenwelt. Ich war wesentlich mehr mit Schauen beschäftigt. Während der Blick nach unten mangels Ablenkung (Pflastersteine sind nicht wirklich interessant) Raum zum Nachdenken, schlimmstenfalls zum Grübeln, läßt, fordert beim Blick nach oben die Welt meine Aufmerksamkeit. Ob das dann tatsächlich zu einer positiveren Einstellung führt, weiß ich noch nicht. Aber wenigstens nahm ich mehr von der Welt wahr.

Noch ein Wort zum Palast der Projekte. Für meinen Geschmack war er zu textlastig und zu wenig visuell. Wenn man nicht gerade in der Gegend ist, reicht der Besuch der Website völlig aus. Sie ist sehr ausführlich.


Achenbach

Sicher kommt Gerd Achenbach das Verdienst zu die erste philosophische Praxis gegründet zu haben und sicher enthalten seine Bücher gute Gedanken, Aber dennoch empfinde ich sein Werk sehr zwiespältig. Das liegt sicher zum Teil an seinem mäandrierenden Schreibstil. Aber erheblich mehr stört mich sein eigenwilliger Umgang mit dem einen oder anderen Philosophen. Stellvertretend sei seine beiläufige Diskreditierung Epikurs genannt. Er tut dies ausgerechnet mit einem Zitat aus Malte Hossenfelders hervorragenden Buch über Epikur. Dort schreibt Hossenfelder an einer Stelle, dass Epikurs Verhaltensregeln heutzutage jedem Spiesserverein als Satzung gelten können.
Epikur nur etwas für Spiesser?
Liest man das Zitat im Zusammenhang, so wird klar, dass lediglich die rein äusserliche Rezeption von Epikur und Stoa gemeint ist. Hossenfelder will im Gegenteil darauf hinaus, dass bei genauerer Betrachtung die Lehren eine beachtliche Sprengkraft haben.
Achenbach verschweigt dem Leser an dieser Stelle also nicht nur, dass Hossenfelder eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte, sondern auch, dass das Zitat in gleichem Mass auch die Stoa trifft, auf die wiederum Achenbach grosse Stücke hält.
Hmm…


Erweiterter kategorischer Imperativ

Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.

Das ist der kategorische Imperativ, wie ihn Kant formuliert hat (der im Gegensatz zum hypothetischen Imperativ immer und überall gelten soll).
Kants Gedanke war zwar durchaus nicht neu und ist auch zu Recht kritisiert worden, hat aber – wie ich finde – einen vernünftigen und menschenfreundlichen Kern.
Der erweiterte kategorische Imperativ – meine persönliche philosophische Replik auf die Stinkstiefel dieser Welt – geht schlicht davon aus, dass sich bereits alle Menschen nach dieser Maxime richten. Wer mir gegenüber also unfair ist, will entsprechend des erweiterten Imperativs auch unfair behandelt werden. Und wer mir gegenüber nett ist, der will auch freundlich behandelt werden.
Ich gebe zu, dass diese Erweiterung in gewisser Weise gemein ist, denn sie propagiert nicht nur ein biblisches Auge im Auge, Zahn um Zahn, sondern unterstellt darüber hinaus auch noch, dass mein Gegenüber es von vorneherein so wollte.
Ich gebe zu dass das eine ebensowenig tragfähige Ethik wie die alttestamentarische darstellt, aber ab und zu will ich mir das Vergnügen gönnen, auch Stinkstiefel als vernünftige Individuen zu behandeln.


Freiheit zu

Bei Wilhelm Schmid traf ich auf einen eigentlich ganz einfachen Gedanken: die Unterscheidung zwischen „Freiheit von“ und „Freiheit zu“. Üblicherweise wird der Begriff Freiheit als „Freiheit von“ verstanden. Freiheit von Zwängen, Einmischung, Vorschriften etc. Die Freiheit allein so aufzufassen läuft aber ins Leere, denn nachdem ich mich von allem befreit habe, ist da nichts mehr. Eine so ausgelegte Freiheit ist ein negativer Begriff.
Es ist daher notwendig ihn zu ergänzen um die „Freiheit zu“. Also die Chance dieses oder jenes zu tun. Erst mit dem Aufgreifen dieses Aspekts kann Freiheit gelingen.