Zu Marc Aurels Zeiten – also lange vor Erfindung von Fotokopierern und Zwischenablagen – war es eine übliche Technik, sich aus (zu der damaligen Zeit extrem teuren) Büchern Teile abzuschreiben. Dass dabei nur die Teile kopiert wurden, die dem Schreiber wertvoll erschienen, versteht sich bei diesem doch etwas mühsamen Verfahren von selbst. Auf diese Weise konnte ein gebildeter Römer sich eine Sammlung von Textstellen schaffen, die sich in ihrer Verdichtung perfekt als Ausgangspunkt für eigene Gedanken eignete.
Diese Funktion als Katalysator macht eine Textsammlung auch heute noch zu einem interessanten Instrument der Lebenskunst.
Dabei ist es natürlich nicht mehr notwendig, das Verfahren handschriftlich durchzuführen, denn die Technik macht das Kopieren zu einer mühelosen Tätigkeit. Zu mühelos. Denn allzu leicht kann so Qualität durch Quantität ersetzt werden.
Andererseits bleibt mithilfe moderner Technik – vorausgesetzt man beschränkt sich auf wichtige Exzerpte – mehr Zeit zum Nachdenken. Und darum geht es ja eigentlich.
Jahr: 2005
Zeit fürs Glück
Eine Beweisführung, die an Trivialität kaum zu überbieten ist: Je mehr Dinge man benötigt um glücklich zu sein, um so weniger glücklicher wird man sein. Denn sich in den Besitz dieser Dinge zu bringen ist ein Aufwand (Geld verdienen etc.), der Zeit kostet und nicht unmittelbar glücklich macht. Die „glücksfreie“ Zeit nimmt also zwangsläufig zu Ungunsten der potentiell glücklichen Zeit zu.
Diese Gleichung gilt sowohl für Habenichtse wie für Milliardäre.
Durch Verzicht wird zwar niemand zwangsläufig glücklicher, aber er hat wenigstens mehr Zeit dazu.
Enthaltsamkeit
Foucault berichtet, dass sowohl Epikureer als auch Stoiker sich regelmäßig in Enthaltsamkeit – also beispielsweise Fasten – übten. Sie taten das allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen. Bei den Stoikern ging es darum, sich die Sicherheit zu verschaffen, dass man selbst auf dem Niveau von Sklaven, mit Sitte und Anstand und ohne eine Störung der Seelenruhe leben kann (einer der bekanntesten Stoiker – Seneca – war der reichste Mann Roms). Die Epikureer hingegen wollten sich mit dem Verzicht immer wieder in Erinnerung rufen, dass es nur wenig bedarf, um genussvoll zu leben und sich natürlich die Genüsse lebendig erhalten.
Eine moderne Variante des Verzichts lebte Thoreau. Er beschränkte sich auf das Lebensnotwendige, um frei sein zu können.
So unterschiedlich die Motive sind, so ist ihnen doch gemeinsam, dass es beim Verzicht nie um Selbstkasteiung und Leiden ging. Im Gegenteil: der Verzicht soll bei allen helfen, Leiden zu vermeiden und zu einem erfüllteren Leben beitragen.
Schloß Westerwinkel
Schloß Westerwinkel ist wirklich gut verborgen: der angrenzende Golfclub ist besser ausgeschildert als das Schloß selbst. Man kann das Schloß zwar nur von April bis Oktober innen besichtigen, aber auch von außen bietet es einen interessanten Anblick, denn so wie es sich dem heutigen Besucher präsentiert hat es auch schon vor 300 Jahren ausgesehen (nur die Fenster sind offenkundig neu). Und genauso lange ist es auch schon im Besitz der Grafen von Merveldt.
Und ewig grüßt das Nutria
Das Schöne an einem rechtzeitigen Besuch in Dortmund ist, daß man live miterleben kann, wie Weihnachtsbäume aussehen, bevor sie Weihnachtsbäume sind. So:

Aber noch lustiger war der Zoo. 1953 gegründet hat er in Teilen einen gewissen Retrocharme und wird dank unendlich vieler Büdchen und diverser Spielgeräte auch seiner Rolle als Kinderbespaßungsanlage gerecht. Ok, das ist etwas gemein. Es ist ein netter kleiner Zoo. Und es gibt dort Nutrias:

Irgendwo zwischen Bertingloh und dem Seilersee
Während unserer wöchentlichen Pendelbewegung zwischen Unna und Lüdenscheid (unter Umfahrung aller Staus) kamen wir immer wieder an Punkten vorbei, die wir uns unbedingt mal ansehen wollten. Jahrelang. Jetzt haben wir es endlich getan.
Einziger Wermutstropfen: der Endpunkt unseres Ausflugs, der Seilersee, war wegen des guten Wetters ziemlich überfüllt.
Maßstab
Ich bin bereits über 350.000 Stunden alt. Das sollte mir zu denken geben, wenn ich das nächste mal ungeduldig werde, weil ich auf etwas warten muß.
Bemerkenswert, wie ein Wechsel der Einheit die Perspektive ändert.
Schächtelchen
Vor Jahren las ich in der Spektrum der Wissenschaft von einem Gedankenexperiment, das sehr schön illustriert, warum uns in der Jugend die Welt vielfältiger und abwechslungsreicher vorkommt als im Alter. Es war sinngemäß, wie folgt beschrieben:
Als Erstes stelle man eine große Anzahl kleiner Schächtelchen auf. Danach setze man sich auf einen Stuhl und beginne, mit Kügelchen um sich zu werfen. Jedes der Schächtelchen symbolisiert nun eine mögliche Erfahrung und ein Treffer ist der Moment, in dem man diese Erfahrung macht.
Es ist jetzt leicht nachzuvollziehen, dass man zu Beginn des Spiels häufig Schächtelchen zum ersten Mal trifft. Je länger das Spiel dauert, umso häufiger landet die zweite, dritte, x-te Kugel in einer Schachtel. Und um so seltener gelingt ein Ersttreffer.
Es ist eine Binsenweisheit, dass uns Neues wesentlich stärker im Gedächtnis bleibt als seine Wiederholungen.
Die Schlussfolgerung ist offensichtlich: Dadurch, dass die Anzahl neuer Erfahrungen pro Zeiteinheit beständig sinkt, wird das Leben im gleichen Maß fader. Wer das nicht möchte, der hat nur eine Möglichkeit: Aufstehen und neue Schächtelchen aufstellen.
Aber Vorsicht: Erfahrung heißt nicht notwendig angenehme Erfahrung. Die Schächtelchen symbolisieren nur ganz neutral Erfahrungen und sagen nichts darüber, ob sie uns angenehm ist. Das gilt auch für die neu aufgestellten Schächtelchen.
Wer davor Angst, der sollte ruhig auf seinem Stuhl sitzen bleiben und gar nichts mehr tun.