Es gibt Wege, die gehen wir nur höchst selten, auch wenn sie direkt vor unserer Haustür liegen. Einer davon führt an der Jugendkunstschule entlang. Ironischerweise lag es an den absurden Sperrungen im Gefolge des Feuers, dass wir uns überhaupt dort umsahen, um herauszufinden, ob denn jetzt alle Wege wieder begehbar sind.
Kaum waren wir an der roten Ameise vorbei, entdeckten wir etwas, was dort schon seit vier Monaten ist. Linda Heberling, die als freie Künstlerin und Pädagogin auch an der Jugendkunstschule arbeitet, hatte sich Ende Mai etwas Poetisches zu der Lockdownsituation überlegt: zehn Fotos von den friesischen Inseln mit viel Himmel und Weite, die zu einem gedanklichen Kurzurlaub einladen.
Die Fotos haben inzwischen durch Wetter, Vögel und Marienkäfer einen leichten Wabi Sabi Charme, aber das macht sie nicht weniger aktuell. Vor uns liegt ein Winter, in dem wir uns freuen werden, Orte zum Träumen zu haben. Das ist einer davon.
Ich war in den Achtzigern mit allem Drum und Dran: Punk, Hip-Hop, Schwarzlichtdisko, AIDS und Wettrüsten. Bis zu dieser Ausstellung im Folkwang Museum war mir nicht klar, wie sehr Keith Haring dieses Jahrzehnt repräsentiert. Ich hatte nur seine bunten Figuren im Kopf, die einem inflationär von Kaffeebechern, T-Shirts und einer riesigen Menge andrer Artikel entgegenspringen. Er löste dieses Überangebot selbst aus, da er nicht nur für eine elitäre Kunstkäuferschaft produzieren wollte. Seine Kunst sollte für jeden zugänglich sein und das forcierte er auch über seinen Pop Shop nach Kräften. Der Skeptiker in mir meckerte vor der Ausstellung, dass ihm das zu gut gelungen ist.
Ausschnitt MatrixPablo Haring ?
Dennoch war er künstlerisch facettenreicher, als ich zunächst dachte. Den Kern seiner Bilder besteht aus einem übersichtlichen Set von Symbolen: die einfachen Figuren, die Hunde, Babys, Pyramiden, Ufos etc. Mit ihnen hat er seine Bilder zeichnend geschrieben (nicht zufällig hat er sich am Anfang seines Künstlerdaseins mit Semiotik – der Wissenschaft von Zeichensystemen – beschäftigt). Davon ausgehend entwickelte er Performances, gestaltete Partys, gab dem Musikvideo I’m Not Perfect But I’m Perfect For You von Grace Jones etwas Besonderes, inspirierte eine Kollektion von Vivienne Westwood und äußerte sich nicht zuletzt immer wieder über Plakate und Flyer politisch.
Das für mich beeindruckendste und vermutlich auch größte Werk mit 10 Metern Länge in der Essener Ausstellung ist Matrix. Auf den ersten Blick nur ein Gewimmel von schwarzen Linien, die den weißen Grund gleichmäßig bedecken. Erst der zweite Blick entziffert eine Vielzahl von Gestalten und Formen, die in irgendeiner Form interagieren. Passenderweise haben die Kuratoren ein paar Bänke davor platziert, denn es braucht Zeit sich mit all den Details zu beschäftigen und darüber nachzudenken, was sie wohl bedeuten. Für einen kleinen Ausschnitt hat da mal die New York Times Hilfestellung gegeben.
Witzig war auch der Raum mit den Schwarzlicht-Bildern, die einmal pro Stunde für ein paar Minuten zusätzlich mit Schwarzlicht beleuchtet wurden. Der Effekt war überraschend … mir ist er allerdings erst zwei Wochen später auf den Fotos aufgefallen.
Mit SchwarzlichtAuch ohne SchwarzlichtOhne Schwarzlicht
Trotzdem bleibt mein Verhältnis zu Keith Haring ambivalent: Er ist einfach zu präsent, es fällt mir schwer, die Kunst in dieser Alltäglichkeit wahrzunehmen. Sie versinkt außerhalb von Museen in purer Dekoration.
Wir hatten etwas ferngesehen und wollten es uns auf dem Balkon gemütlich machen, als die Feuerwehr kam. Nicht zu uns, aber die Straße hoch und direkt vor unserem Balkon den Fußweg entlang. Rauch und Feuer waren nirgendwo zu sehen, aber sie blieben gleich nebenan beim Kindergarten stehen. Als dann ein paar Feuerwehrleute mit Atemschutzgerät vorrückten, war naheliegend, das wohl Gasalarm ausgelöst worden war.
Glücklicherweise ein Fehlalarm. Nach einer halben Stunde rückten sie wieder ab. Und es fing an zu regnen.
Zum Abschluss unserer kleinen Reise waren wir in den Herrenhäuser Gärten, genauer im Großen Garten, einem der bedeutendsten Barockgärten in Europa, so etwas wie die niedersächsische Konkurrenz zu Versaille. Bei Barock denke ich immer an Möbel und Malerei mit Überfülle und und überbordende Verzierungen. So eine Barockgarten ist auf den ersten Blick komplett anders: streng geometrischer Grundriss, eckig geschnittene Hecken und Bäume, penibel als Ornament in Form gebrachte Buchsen und Blumen.
Dieser Gegensatz löst sich auf, wenn man an das absolutistische Herrschaftsmodell dieser Zeit denkt. Ein Barockgarten soll den Reichtum seines Besitzers zeigen und dass er selbst die Natur bis in Detail beherrscht. So ergänzen sich dann strenge Geometrie und florale Ornamente. Ganz besonders herausragend in den Herrenhäuser Gärten ist die Fontäne. Denn eine Fontäne zu konstruieren war ganz besonders teuer und taugte ganz besonders gut für das Spiel „Meine ist aber größer als deine“. Wobei deine die von Versaille war. Immerhin. Aber schließlich hat ja sogar Leibniz daran mitkonstruiert. Die Fontäne macht übrigens zwischen 12:00 und 15:00 Pause (hatte man uns schon am Eingang gesagt) und mit ihr nahezu alle anderen Springbrunnen auch (hatte man uns nicht gesagt).
Also schöner Gegensatz befindet sich in dem Garten ein Grotte, die Niki de Saint Phalle Anfang des Jahrtausends gestaltet hat.
Am Tag zuvor umfuhren wir noch einmal das Meer, diesmal aber im Uhrzeigersinn und mit dem Auto. Erste Station war der Tag der offenen Tür bei der Sektkellerei Duprès, die dort schon seit etwa 150 Jahren Sekt in den Gewölben von Schloss Landestrost herstellt. Ich weiß jetzt nicht nur mehr über den Unterschied zwischen Sekt und Champagner, was der Unterschied zwischen einem guten Champagner und dem vom Aldi ist und das Sektkellereien gar keine eigenen Weinberge haben, sondern wir durften auch das eine oder andere probieren. Empfehlenswert.
Zum Abschluss waren wir noch mal in Steinhude, Sonnenuntergang gucken. An dieser Stelle muss ich dann auch meinen ersten Eindruck von Steinhude als Hochburg des Rentnertourismus korrigieren. Mindestens zum Sonnenuntergang waren jede Menge Menschen aller Altersstufen unterwegs.
Was bleibt von der Woche, die ja ganz anders war als erwartet? Sie hatte durch das gute Wetter einen südlichen Charme (vielleicht nicht Mittelmeer, aber vielleicht das Département Gard) und dank der Sektkellerei haben wir auch was Leckeres mitgebracht. Das Eindrücklichste war aber die Lage unseres Häuschens. Abgelegen, aber nicht einsam an einer Schotterstraße ohne Beleuchtung waren wir wirklich mal in der Natur. Besonders Nachts, wenn wir in den Sternenhimmel schauten und die Milchstraße zu sehen war. Das bleibt in Erinnerung, denn es ist im Alltag nahe des Ruhrgebiets selten geworden.
Am Besten brachte es Daniela auf den Punkt, als sie einen Satz begann mit „Und wenn wir dann in Deutschland zurück sind…“. Wir waren weg, weit weg.
Zu einem Aufenthalt am Steinhuder Meer gehört es unbedingt, es einmal auf dem Fahrrad zu umrunden. Der Weg ist gut ausgebaut und beschildert. Allerdings machen sich an sommerlichen Tagen schon sehr, sehr viele Menschen auf den Weg. Da wir am Tag zuvor schon ein kleines Stück auf dem Rundweg unterwegs gewesen waren, wussten wir, daß die Meisten im Uhrzeigersinn radeln. Und da wir nicht dauernd überholen und überholt werden (E-Bikes!) wollten, starteten wir gegen den Uhrzeigersinn.
War prima. Erst die Meerbruchwiesen mit Graugänsen, dann Schloss Hagenburg. Das gehörte mal den Schaumburg-Lippes, die von dort einen Kanal aushebeen ließen um die Inselfestung Wilhelmstein direkt erreichen zu können.
Mittagspause war in Steinhude, im September Hochburg des Rentnertourismus.
Durch das Tote Moor ging es entlang von zwei Stränden (mein Favorit ist der Surferstrand), Campingplätzen und Bootsanlegern zurück zum Einstiegspunkt Mardorf mit freiem Blick auf den weissen Berg.
Die Route ist landschaftlich abwechslungsreich: Feuchtwiesen, Wälder mit Kiefern, Eichen und Birken, Wälder nur mit Birken, Moore und zwischendurch Blick auf das Meer. Von allem etwas, es wurde nicht langweilig.
Insgesamt waren wir mit Fahrrad und zu Fuß 39 km unterwegs. Und danach noch recht fit….
Wir haben es natürlich schon so ein wenig geahnt: eigentlich wollten wir am Freitag in Richtung Marseillan aufbrechen, aber die Corona Inzidenz in Frankreich am Mittelmeer war hoch und und blieb leider auch hoch. Donnerstag dann wurde unsere Reiseregion zum Risikogebiet erklärt. Unser Vermieter vor Ort – ein Schotte – war super nett und erstatte uns die Miete zurück.
Aber was nun? Noch einmal die Wohnung zu streichen (statt nach Formentera zu fliegen wie im Mai ), kam definitiv nicht in Frage. Also verbrachten wir den Freitag nicht mit einer langen Autofahrt, sondern mit Recherche. An der Nordseeküste ist alles restlos ausgebucht. Und auch in anderen schönen Gegenden war nur noch die Resterampe am Start. Und während ich mit steigender Frustration alles im Inland abklapperte, was einen See oder Wasser in der Nähe hat, stolperte ich über dieses Tiny House. Frisch am Start und in einer Gegend, die wir nicht kannten: das Steinhuder Meer. Glückstreffer.
Auf Grund gelaufen
Relaxen am Tiny House
Umgebung
Kurz entschlossen buchten wir und Sonntag waren wir schon vor Ort. Die erste kleine Radtour führte uns zum Meer in Mardorf. Von einem Steg aus sahen wir weit draußen, wie zwei Menschen ein Boot zu Fuß umrundeten. Heute lüftete sich das Geheimnis dieses seltsamen Anblicks. Der See ist im Mittel gerade mal 1,35 Meter tief und bringt es an der tiefsten Stelle auf drei Meter. Bei der Größe erwartet man deutlich mehr Tiefe. Diese Freizeitskipper waren also schlicht auf Grund gelaufen und überlegten, wie sie da wieder wegkommen.
Wir jedenfalls genießen das gute Wetter und leckeres Essen auf der Terrasse und erforschen die Umgebung
Vor gut 10 Jahren hatten wir die Gelegenheit in dem Sky Space von James Turell den Himmel in seltsamen Farben zu betrachten während die Sonne unterging. Das war damals sehr schön.
Genauso schön, aber komplett anders, war mein heutiges Erlebnis mit dem Sky Space. Während Daniela im Zib beschäftigt war, füllte ich in Ruhe mein Skizzenbüchlein mit dem, was ich sah.
Na ja, nicht wirklich, denn eigentlich stand da auch noch eine Bühne und ein riesiger Stapel Stühle. Das ist das Schöne am Zeichnen: die Realität ist der Ausgangspunkt für eine Skizze, aber nicht das Ziel.
Es scheint ein beliebtes Verfahren zu sein ehemalige belgische Standortübungsplätze nach dem Abzug der Truppen in Naturschutzgebiete umzuwandeln. In Lüdenscheid hat man es so gemacht und in Soest genauso. Und hier wie dort werden Rückzüchtungen von Nutztieren als Landschaftsgärtner eingesetzt. In Soest sind es Taurusrinder und Konikpferde.
Vom ersten Aussichtspunkt war von ihnen allerdings noch nichts zu sehen, lediglich die von den Pferden und Rindern gestaltete Landschaft breitete sich vor uns aus. Sozusagen ein Flamingoeffekt.
Wir mussten erst eine Schledde durchqueren, bevor wir sie zu Gesicht bekamen. Die Pferde waren erfreulich nah, aber die Rinder hielten sich zurück und wir konnten sie nur weit entfernt am Waldrand sehen wie sie den Weidegrund wechselten. Gäbe es jetzt noch ein paar Schweine hier, dann hätte das Gelände seinen ursprünglichen Charakter als Hudewald wieder
Wir waren übrigens auf der östlichen Runde unterwegs, die deutlich abwechlungsreicher war, als die Website vermuten ließ. Allein die Bodenbeschaffenheit reichte schon von panzertragendem Beton über Schotter bis zu schmalen Pfaden durch den Wald (Vorsicht bei kurzen Hosen, die Brennesseln sind etwas zudringlich).
Begonnen hatten wir den Ausflug mit einem leckeren Frühstück in Soest. Wir kamen sogar an dem Haus vorbei, wo Goethe nie gewesen ist.
Nach der kleinen Wanderung stärkten wir uns noch in einer eher mäßigen gastronomischen Einrichtung am Möhnesee, die aber einen guten Ausblick auf die Staumauer bot.